Während beim Weibchen — wie erwähnt — das fünfte Fusspaar symmetrisch gebaut ist, tritt
beim M ä n n c h e n daselbst ein stark ausgeprägter Dimorphismus auf, welcher durch die verschiedenen
Funktionen bedingt ist, welche jedem der beiden an Länge sehr verschiedenen Füsse zukommen. Wie
der rechte Fuss im allgemeinen kräftiger und stärker gebaut ist als der linke (Taf. V Fig. 7), so gilt dies
im besonderen auch für die beiden Basalglieder desselben. Die ersten Basale (Bi) — besonders betrifft dies
das erste Basale des rechten Fusses — haben, von der Seite betrachtet, die Form von stumpfen oder spitzen
Kegeln (Taf. I I I Fig. IM), welche in Sinnesdornen enden, deren Form und Grösse bei den einzelnen Arten
verschieden (Taf. I Fig. 10, Taf. VI Fig. 11) sind und auch von den entsprechenden Organen des Weibchens
oft nicht unerheblich abweichen (Taf. III Fig. 11 u. 13). Das zweite Basalsegment (B2) des rechten Fusses
übertrifft das des linken Fusses stets an Länge. Unterhalb der Mitten ihrer Aussenränder tritt wie beim
Weibchen je ein Sinneshaar auf. (Auch jene typisch kleinen Sinneshaare finden sich bei einigen Arten
an verschiedenen Gliedern des fünften Fusspaares, Taf. I Fig. 10). An den Innenrändern sind bei mehreren
Species hyaline Lamellen oder stark chitinisierte Yorsprünge — letztere treten auch ab und zu an der
Rückenfläche auf — zu beobachten (Taf. I I Fig. 10).
Der rudimentäre Innenast des r e c h t e n Fusses zeigt in vielen Fällen recht charakteristische Formen
(Taf. VI Fig. 5 u. 11, Taf. III Fig. 6 u. 12). An seinem apikalen Ende ist meist; ein Dorn und eine Reihe
feiner Haare zu beobachten. Bezüglich seiner Segmentation und seiner relativen Länge gilt dasselbe, was
bezüglich des Innenastes der weiblichen Füsse bemerkt worden ist (p. 25). Der Aussenast besteht aus zwei
Segmenten und dem Greifhaken. Das erste Glied (Taf. V Fig. 7 Re 1) bleibt im Gegensatz zu dem homologen
Gliede des weiblichen Fusses klein. Seine äussere distale Ecke ist oft stark dornförmig verlängert. Am Hinterrande
der Rückseite sind stets eine oder zwei fast halbkugelförmige Vorsprünge zu beobachten, welche in
Vertiefungen des folgenden Gliedes passen. Am deutlichsten lässt sich diese Erscheinung, durch welche ein Umknicken
des zweiten Gliedes verhütet wird, bei D. graciloides (Taf. III Fig. 6) und D. superbus (Taf. VI Fig. 11)
beobachten. Das zweite Glied (Re 2) ist sehr voluminös und zeigt oft recht charakteristische Umrisse (z. B.
Taf. VI Fig. 5 u. 11). Ausser einem kräftigen Aussenranddorne, der an seinem Unterrande eine Reihe feiner
Nebendornen trägt, und der bei den einzelnen Arten entweder gerade oder gebogen, kurz oder lang ist,
können auf der Rückseite noch dornartige Vorsprünge (Taf. IV Fig. 6, D u. d) auftreten.
Der Greifhaken ist bei allen Formen kräftig, mehr oder weniger, oft recht charakteristisch (Taf. III
Fig. 6) gebogen und mit zwei Reihen kleiner dornartiger Erhebungen versehen, welche im ersten Abschnitte
des Hakens miteinander verschmolzen sind (Taf. I Fig. 11). Mit Hilfe dieses Hakens wird das Weibchen
während der Copulation festgehalten. Nachdem nämlich dasselbe vom Männchen mit Hilfe der genikulie-
renden Antenne erfasst worden ist, und beide so vereinigt eine Zeit lang durch das Wasser geschwommen
sind, wird der Haken um den oberen Teil des weiblichen Abdomens geschlagen und somit das Weibchen
auf diese Weise in die zur Befruchtung (Ankleben der Spermatophoren cf. p. 28) geeignete Lage gebracht.
Da der Aussenast des weiblichen fünften Fusses — wie angegeben — aus drei, der des rechten männlichen
aber nur aus zwei Gliedern besteht, so ist schon a priori anzunehmen, dass der Greifhaken dem dritten
Segmente des ersteren homolog ist und nicht nur — wie C la u s meint — eine „Endborste“ repräsentiert.1)
x) C la u s, Zur Anat. u. Entwicklungsgesch., p. 13: „Im ausgebildeten Zustande hat die Endborste des rechten
Fusses die Gestalt eines kräftigen Hakens gewonnen.“ G ru b e r dagegen hat bereits das Richtige erkannt. Er sagt p. 14
seiner zitierten Arbeit: „Das dritte Glied ist in einen langen sichelförmigen Klammerhaken umgewandelt.“ Einen Beweis hierfür
hat er allerdings nicht zu liefern vermocht.
Einen Beweis für die Richtigkeit dieser Annahme hat bereits N o r d q u i s t 1) geliefert, und auch
ich bin in der Lage, einen ähnlichen beweiskräftigen Fall anzuführen, auf welchen ich mich hier beziehe.
In diesem bei D. castor beobachteten Falle zeigt der Haken nicht den normalen, sondern den Taf. I Fig. 12
dargestellten Bau, in welchem alle Einzelheiten des dritten Segments des weiblichen Fusses (cf. p. 25) wiederzuerkennen
sind. Wie dieses Glied eine dornförmige Verlängerung und einen Apikalstachel trägt, so ist
auch hier ein Basalabschnitt (III S), der dem Segmente homolog ist,2) eine dornförmige Verlängerung (d. V.)
und ein Dorn (D) zu finden.3) Ob bei dem normalen Haken der Dorn mit der dornförmigen Verlängerung
verschmolzen oder in Wegfall gekommen ist, vermag ich nicht zu entscheiden, ist auch für die morphologische
Erklärung gleichgiltig.
Der Innenast des l in k e n Fusses (Taf. V Fig. 7 Ri) ist in allen Fällen nur wenig kürzer als der
Aussenast und entweder ein- oder zweigliedrig. In letzterem Falle ist die Segmentation meist sehr undeutlich.
An der Spitze finden sich in der Regel eine kleine Borste und einige zarte Härchen. Der
Aussenast besteht aus zwei ungleich langen Segmenten. Das kürzere zweite Glied ist in einen klauenförmigen
Fortsatz4) von verschiedener Länge und Stärke ausgezogen, dessen Innenrand meist zwei Reihen
kleiner, dornartiger Höcker5) oder (wie bei D. castor — Taf. I Fig. 13) zwei eingekerbte Lamellen trägt;
nur bei D. superbus treten durchaus abweichende Verhältnisse auf (s. das. u. Taf. VI Fig. 12). An der
Basis dieses Fortsatzes erhebt sich stets ein borstenförmiger Anhang, der bei den einzelnen Arten sehr
verschiedene Verhältnisse zeigt, die an dieser Stelle nicht weiter berührt zu werden brauchen.
Von mehreren Forschern ist diesem Anhänge und dem klauenförmigen Fortsatze die Bedeutung
eines Apparates (einer Zange) zum Erfassen und Ankleben der Spermatophore an die weibliche Genitalöffnung
zugesprochen worden.6) Dass diese Deutung eine irrige ist, geht schon daraus hervor, dass beide
l) N o r d q u is t, Über einen Fall von androgyner Missbildung bei D. gracilis. — Da N ordquists Darstellung der
uns hier interessierenden Verhältnisse nicht ganz korrekt zu sein scheint (cf. Anm. 3), so beziehe ich mich hier nur auf den
von mir selbst beobachteten und untersuchfen F all atavistischer Bildung des Greifhakens.
a) Vgl. hierzu die bezügliche Angabe bei D. superbus.
3) Bei dem androgynen D. gracilis, welcher N o rd q u is t vorlag, war — wie dieser Forscher selbst angiebt —
der Endstachel des rechten männlichen Fusses „geteilt“, d. h. auf einem kurzen 3. Segmente waren zwei gleichlange, bewimperte
Borsten inseriert. Ich glaube aber, dass hier die Verhältnisse genau dieselben gewesen sind wie in dem von mir
beobachteten Falle, dass also das dritte Segment mit der dornfömigen Verlängerung und der bewimperten Borste bewehrt
gewesen ist. Und zwar nehme ich dies an, weil N o rd q u ist (gleichwie die meisten übrigen Forscher) die dornförmige Verlängerung
am dritten Aussenastsegmente des fünften w e ib lic h e n Fusses ebenfalls als selbständigen Anhang bezeichnet.
(Cf. Die Calanid. Finl., p. 263: Das dritte Glied des Aussenastes „endigt mit einer inneren Borste und m it einem
k ü r z e r e n , ä u s s e r e n Dorne.“
4) Bei D. superbus (s. das. u. Taf. VI Fig. 12) ist die klauenförmige Verlängerung dieses Segments durch einen
schwachen chitinisierten Ring deutlich vom Segmente abgegrenzt. Sollte diese Erscheinung vielleicht darauf hinweisen, dass
.die Verlängerung dem fehlenden dritten Segment morphologisch gleichwertig ist?
5) Sehr deutlich ist diese Erscheinung bei dem nicht zur Fauna Deutschlands gehörigen D. denticornis Wierzejski
zu beobachten®- Cf. Schm e i l, Copep. d. Rhätikon-Geb. Taf. I Fig. 14.
®) So sagt z. B. Claus (Zur Anat. u. Entwicklungsgesch., p. 13): „Am linken Fusse ist der entsprechende Teil
(die Endborste — cf. p. 26 Anm. 1) zu einer kurzen Klaue geworden, die mit breiter Basis sich inseriert und einem steifen
Vorsprunge genähert werden kann (bei D. castor). Auf diese Weise kommt die Bildung eines Greifapparats zustande,
welcher, einer Zange vergleichbar, während der Begattung das Geschäft übernimmt, die austretende Spermatophore zu erfassen
und dom Weibchen in die Geschlechtsöffnung einzuführen.“ (Dass die letzte Behauptung, die Spermatoplioren würden in
die weibliche Geschlechtsöffnung e in g e fü h r t, unrichtig ist, ist selbstverständlich).