nicht so sehr wie früher auf die Selbsthilfe in der Not angewiesen sind. Sie wissen, dass im
schlimmsten Falle der dänische Fiscus fü r sie sorgen wird. Sie vertauschen ihre Vorräte gegen
Genussmittel, wie Kaffee und Tabak, ohne recht an die. Folgen zu denken. S ta tt auf den Seehundfang
auszugehen und sich Nahrung und Felle für ihren Bedarf zu sammeln, ergeben sie sich
vielfach dem süssen Müssiggang und lassen sogar ihre Boote und Wohnungen verfallen, bis endlich
ernster Hunger sie wieder zur Jagd zwingt, oder bis bei ungünstigen Witterungsverhältnissen
die staatliche Hilfe notwendig wird.
Im übrigen is t aber die altgrönländische Lebenshaltung auch heute noch so zweckmässig,
dass die sich in Grönland dauernd niederlassenden Europäer fa st immer die Lebensweise der
Eingeborenen, aus denen sie allerdings auch meistens ihre Frauen zu wählen pflegen, annehmen.
Schon ihre Kinder haben die Erinnerung der europäischen Abstammung häufig so gut wie verloren:
abgesehen von der Unsauberkeit sind sie fast in jeder Beziehung Eskimos geworden, ein
kluges, liebenswürdiges und ehrliches, wenn auch überaus leichtsinniges Volk.
Die gesamte Bevölkerung Grönlands, soweit es sich im dänischen Besitz befindet, beträgt
augenblicklich etwas über 10000 Einwohner, fast sämtlich christlichen Glaubens, und daneben
existieren noch ungefähr 280 Europäer. Die Zahl der Mischlinge is t allerdings schon sehr bedeutend,
und manche Kenner bezweifeln, ob es in den von Europäern besuchten Niederlassungen
überhaupt noch ganz unverfälschte Eskimos giebt.
Rassenreine Eskimoschädel wie die vorliegenden haben daher zweifellos einen gewissen
W e rt für ethnologische Untersuchungen. — D er dänischen Regierung gebührt aber Dank fü r die in
der Kolonialpolitik wohl einzig dastehende Thatsache, dass sie es verstanden h a t , ein reines
Jägervolk fa st 200 Jah re hindurch im steten Verkehr mit der europäischen Zivilisation bis je tz t
lebensfähig zu erhalten, und dass wir no.ch heutzutage Gelegenheit haben, das Leben und
Treiben eines Volkes zu studieren, das dem unserer eigenen Vorfahren in der ältesten Zeit, als
sich das Inlandeis aus Deutschland zurückzog, durchaus ähnlich sein dürfte.
Bibliotheca Zoologien XX.
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