hängend, so dass hinter .ihnen die hüglige Augenhöhle noch beträchtlich an Höhe zunimmt.
Zweimal is t ein Foramen supraorbitale, sonst eine tiefe Incisura supraorbitalis vorhanden. Sehr
charakteristisch is t die Bildung der Nase (vergl. die Facialansicht des Schädels Nr. 2). Die
Nasenbeine sind äusserst schmal, kaum 1 bis 2 mm breit, und nach vorn konkav. Sie bilden an
der Wurzel mit einander nur einen ganz stumpfen Winkel, d. h. sie liegen fast in einer Ebene,
um weiter nach der Nasenspitze zu flach dachförmig gegen einander zu stossen. Ein eigentlicher
Nasenrücken is t daher kaum angedeutet. Die Jochbeine sind gross, hervorspringend, die * e h -
bogen sind k rä ftig gewölbt, die Unterkiefer massig, im Körper bre it und auffallend hoch. Im
übrigen sind unsere Schädel, um die übliche Nomendatur einmal zu benutzen, phanerozyg,
kypsikonch, schmalgesichtig, leptorrhin und lepto- bis mesostaphylin.
Ein medianer Gaumenwulst is t einmal deutlich entwickelt, was der L i s s a u e r s e h e n Angabe,
er sei bei etwa der Grönländerschädel vorhanden, g u t ^entspricht. Obschon ferner
nach K i l l e rm a n n s Untersuchungen (Archiv fü r Anthropol., XXII, pag. 3935 die Su tu ra pala-
tin a bei Doliehocephalen gewöhnlich nach hinten konvex verlaufen soll, so is t doch bei unseren
drei Schädeln der Verlauf dieser Naht der entgegengesetzte.
Wenn den -Grönländern Prognathie zugeschrieben wird, so kann ich dies nicht ganz bestätigen.
Dem äusseren Anschein nach is t freilich alveolare und dentale Prognathie vorhanden.
Ich habe aber mit dem R a n k e s c h e n Messapparat, der bekanntlich erst in den letzten Jahren
konstruiert ist, die hier in Erage kommenden Winkel bestimmt. Mit der deutschen Horizontal-
ebene bildet die Profillinie einen Winkel von 86, resp. 87, resp. ST"'. Nach R a n k e s Methode
sind daher die vorliegenden Schädel zweifellos als orthognath anzusehen. Indessen muss, ich natürlich
anerkennen, dass die Zahl der von mir untersuchten Objekte viel zu gering ist, um weitergehende
Schlüsse zu gestatten. Auch weicht die R a n k e s c h e Vorschrift zur Bestimmung des
Gesichtswinkels so erheblich von den früher benutzten Methoden ab, dass eine unmittelbare
Vergleichung der je tz t erhaltenen Resultate mit den älteren nur mit grösster Vorsicht erlaubt
sein dürfte.
Was nun das wichtigste Mass, den Rauminhalt der Schädelhöhle bei Grönländern betrifft,
so wird derselbe allgemein als verhältnismässig sehr gross bezeichnet, besonders wenn man berücksichtigt,
dass die Eskimos doch eigentlich n u r eine relativ geringe Körperlänge besitzen. Die
älteren Messungen ergeben sogar einen ganz ungewöhnlich hohen Durchschnittswert fü r den
Schädelinnenraum. So fand D a v is eine mittlere Capacität von 1648 und B ro c a eine solche
von 1539 ccm fü r männliche Schädel, Q u a tr 'e f a g e s und H am y eine solche fü r "beide Geschlechter
von 1522 ccm, Zahlen, die für europäische Schädel schon als seltene Extreme beobachtet
werden müssen.
Alle diese und andere Messungen sind indessen nicht einwandsfrei, da fast jeder Forscher
bisher seine eigene und meist recht ungenaue Methode zur Ausmessung des Schädelinnenraums
angewendet hat. Nach W e l c k e r s sehr exakten Bestimmungen, die wohl fü r die Zukunft massgebend
sein werden, b eträgt die mittlere Capacität von 29 männlichen Grönländerschädeln
1452 ccm; also etwas mehr als den Betrag, den er fü r 30 Männerschädel aus der Bevölkerung
der S tad t Halle gefunden ha t, und der den fü r 190 ostpreussische Männerschädel mit 1124 ccm
nicht unerheblich übertrifft. Ieh habe ebenfalls nach der W e l e k e r sehen Methode und unter
s teter Kontrolle durch den Bronzeschädel R a n k e s unsere 3 Grönländer gemessen und habe
einen Rauminhalt im Mittel von 1418 ccm (für die beiden Frauen von 1347 und für den Mann
von 1560 ccm) gefunden.
Eine derartige Capacität is t ungewöhnlich. Die Schädel der Hallenser und der Ostpreussen
(nach v. K u p f f e r im Mittel von 1385 ccm), die in geistiger Hinsicht eine Gleichstellung mit
Eskimos gewiss mit Entrüstung von sich weisen würden, sind thatsächlich weniger geräumig als
die der Grönländer, und dasselbe Resultat ergiebt sich sogar in noch höherem Masse, wenn man
die Schädel mit Rücksicht auf das Geschlecht mit einander vergleicht. Deutschen gegenüber
sind die Eskimofrauen in Bezug auf die Grösse ihres Schädelinnenraums noch günstiger ausgestattet
als die Eskimomänner. (Ostpreussische Frauen 1282 ccm gegen 1347 ccm bei Grönländerinnen.)
Eine geräumige Schädelhöhle h a t zweifellos P la tz für ein grosses Gehirn. Wenn nun auch
die geistige Capacität nicht ganz gleichförmig mit der körperlichen einhergeht, so ist eine gewisse
Conformität doch sicherlich vorhanden und man muss daher die Grönländer mit ihrem grossen
Schädelinnenraum schon an und für sich als ein wohl begabtes Volk ansehen. Hiermit stehen
übrigens auch die Schilderungen, welche R i n k , N o r d e n s k j ö ld , N a n s e n u. a. von der In telligenz
der Grönländer und der Schärfe ih re r Sinne entworfen haben, in guter Übereinstimmung.
Man erinnere sich nur der erstaunlichen Thatsache, dass fast alle Grönländer tro tz der schwierigsten
Verhältnisse, unter denen sie zu leben und zu lernen gezwungen sind, lesen, und dass
die Mehrzahl auch schreiben kann, und dabei existiert eine grönländische Schriftsprache überhaupt
e rst seit kaum 100 Jahren. Ausserdem sind die Grönländer auch fü r europäische Ansprüche
sehr musikalisch und dichterisch veranlagt, und es giebt bereits eine, wenn auch kleine
L itte r a tu r und seit einigen Jah ren sogar eine Zeitschrift, die nur von Grönländern redigiert und
gedruckt wird. J a , R in k , dieser beste Kenner der Grönländer, h a t hübsche Zeichnungen veröffentlicht,
die von Eingeborenen nicht nur entworfen, sondern zur Drucklegung auch in Holz
geschnitten worden sind. Allen Polarreisenden, die mit Eskimos zu thun h a tten , ist es aufgefallen,
wie anstellig dieselben waren, wie leicht sie sich auf geographischen Karten zu orientieren
vermochten, und wie scharf ihre Beobachtungen über Wetterverhältnisse, über die F lut- und
Eiszustände und über die Eigentümlichkeiten des Tier- und Pflanzenlebens waren. Geistige Begabung
kann man ihnen daher jedenfalls nicht absprechen. Aber auch ihre Wohnungen und
Boote, ihre Kleidung, ihre Jagdwaffen und Gerätschaften sind für ihre durch das Klima bedingte
Lebensweise und fü r das ihnen überhaupt nur zu Gebote stehende Material so zweckentsprechend
erfunden, dass die dänische Einwanderung zunächst nichts Besseres an ihre Stelle zu setzen gewusst
hat. Die einheimischen Boote sind zweifellos unter den dortigen Verhältnissen den europäischen
überlegen und die Einführung der Feuerwaffen h a t z. B. nach N a n s e n durchaus nicht
zum materiellen Vorteil der Eingeborenen geführt, obschon dieselben fast lediglich von der Jagd
leben, sondern geradezu zu deren Nachteil. Trotz der vielfachen Erleichterungen, die ihnen die
europäische Kultur gebracht hat, und wohl gerade durch dieselben, sind viele Grönländer entschieden
auf ein tieferes Niveau gesunken. Und dabei ist der schädliche Einfluss des Alkohols,
auf den man sonst wohl den Niedergang autochthoner Rassen, die mit den Europäern in engere
Beziehung getreten sind, zurückführt, von den Grönländern in höchst anerkennenswerter Weise
durch die dänische Regierung ganz ferngehalten worden. Der gesamte Handel in Grönland liegt
ja bekanntlich allein in den Händen von Beamten, und der Verkauf von Spirituosen an Eingeborene
is t auf das Strengste verboten.
Die eigentliche Gefahr fü r die Zukunft der Grönländer besteht vielmehr darin, dass diese