Durch die Güte des Herrn Dr. N o r d q u i s t wurde ich in den Stand gesetzt, Originalexemplare
der var. hirundoides untersuchen zu können. Bei dieser Untersuchung sind mir einige Punkte aufgefallen,
welche der Autor meiner Ansicht nach?,nicht scharf genug betont oder gar übersehen hat, und darum
gebe ich hier eine kurze revidierte Charakteristik der Varietät:
1) Der Körper ist viel kleiner und in allen seinen Teilen zarter als bei der typischen Form.
(9 0,98 mm, c? 1,02 mm nach N o r d q u i s t ; das von mir gemessene Weibchen hatte eine Länge von
0,96 mm; die Männchen massen 0,99—1,02 mm).
2) Erstes Segment des Cephalothorax am Hinterrande ein wenig wulstig aufgetrieben.
3) N o r d q u i s t : „Die lateralen Teile des letzten Cephalothoraxsegments vom Weibchen sind spitz
oder abgerundet und tragen an ihrem Ende einen oder zwei feine Dornen. “M - Die feinen Dornen sind
nichts weiter als Sinneshaare, die hier in Bezug auf die typische Form in etwas verminderter Anzahl auf-
treten. Ausser den beiden eckständigen Haaren habe ich noch andere gleichfalls sehr zarte am Aussen-
und Hinterrande des Flügels nachweisen können.
4) Dornen der dorsalen Fläche des letzten Abdominalsegments und der Furkalzweige zarter und
Anzahl derselben geringer als bei der typischen Art (cf. N o r d q u i s t Taf. IV Fig. 8). Beim Männchen
fehlen die Dornen auf der Furka gänzlich.
5) Verhältnis zwischen Breite und Länge der Furkalzweige: 9 1 : 8—12, c? 1 : 1 1 - 1 8 (N o rd q
u i s t giebt für d” nur das Verhältnis 1 : 13 an).
6) Geschlechtliche Differenzen hinsichtlich der Stärke der Furkalborsten fehlen. Länge der Furkal-
borsten grösser als bei der typischen Form.
7) Vorderantennen so lang als der Cephalothorax. (Auch nach N o r d q u i s t s Taf. IV Fig. 5 ist
dies — entgegen seiner Angabe in der Charakteristik — der Fall). Segmente, besonders vom 13. an, weit
mehr gestreckt als bei der typischen Form.
8) Schwimmfüsse mehr in die Länge gestreckt und Bedornung zarter als bei letzterer.
9) Die Fruchtbarkeit weit geringer als bei derselben; die Weibchen tragen in der Regel einen
nur aus zwei Eiern bestehenden Ballen.
Aus diesen Angaben dürfte hervorgehen, dass die Varietät alle die Eigentümlichkeiten einer h o c h p
e l a g i s c h e n Copepodenform zeigt.1) (N o rd q u i s t erwähnt auch, dass sie an den Fundorten, „die Hauptmasse
der p e l a g i s c h e n Tierwelt“ gebildet habe).
Die typische JEu. affinis scheint die litterale Form der Art zu sein. Es erhellt dies nicht nur aus
ihrer bedeutenden Grösse, aus ihrem robusten Körperbau, aus der Stärke und relativen Kürze ihrer Vorderantennen
und Schwimmfüsse, aus ihrer kürzeren Furka, aus der kräftigeren Furkalbewehrung und ihrer
hohen Fruchtbarkeit, sondern auch aus ihrer Lebensweise, über welche wir bei D a h l 2) eine interessante
Notiz finden. Derselbe sagt: „Die vorliegende Art hat eine von anderen pelagischen (?) Copepoden
etwas abweichende Lebensweise. Mehr wie andere liebt sie es, auch am Ufer zu verweilen und sich
hier zwischen Algen etc. der Strömung entgegen festzuhalten, wie man es sonst von den Harpactiden (!)
*) Vergl. Teil I dieser Arbeit, p. 45—48 u. S chm e i l, Copep. des Rhätikon-Gebirges, p. 20.
2) D a h l, Untersuchungen über die Tierwelt d. Unterelbe, p. 169.
kennt.1) Ich fand sie einerseits zwischen Algen etc. und andererseits auch massenhaft im Magen von
Stichlingen, welche am Ufer gefangen waren. Ausser den genannten in Algen sich aufhaltenden Tieren
bleibt noch eine grosse Anzahl freischwimmender Individuen in den Wasserlachen zurück, welche sich auf
den Watten, namentlich in der Nähe des Ufers, bilden, und befindet sich etwa während 3U der Zeit des
abwärts gehenden Stromes im ruhigen Wasser.“
Die zweite von N o r d q u is t aufgestellte Varietät, var. hispida, halte ich — wie bereits bemerkt —
für vollkommen identisch mit der typischen Form, und zwar stützt sich mein Urteil auch hier auf die
Untersuchung von Originalexemplaren, die ich gleichfalls Herrn Dr. N o r d q u i s t verdanke. Aus der nachfolgenden
Aufzählung derjenigen Merkmale, welche der Autor für seine Varietät für charakteristisch hält,
und den angefügten Bemerkungen dürfte die Richtigkeit meiner Behauptung hervorgehen:
1) N o r d q u i s t giebt an, dass sich die grösste Breite des Cephalothorax zu der Gesamtlänge des
Weibchens (1,38 mm) verhalte wie 1 : 4,3. Nach P o p p e verhält sich beim Weibchen die grösste Breite
des Cephalothorax (0,5 mm) zur Gesamtlänge (1,5 mm) wie 1 : 3. Das Verhältnis ist demnach nach
N o r d q u i s t ein weit höheres, als es P o p p e angiebt. P o p p es Habituszeichnung aber ist, wie schon
ein Blick lehrt, nach einem stark gequetschten Exemplare entworfen; der Cephalothorax ist also viel zu
breit gezeichnet und das von ihm angegebene Verhältnis mithin viel zu klein angegeben. Meine Abbildung
(Taf. XI Fig. 1), welche nach einem Tiere entworfen ist, das der Elbe bei Altona entstammte, also nach
der t y p i s c h e n Form der A rt,2) z e i g t g e n a u d a s vo n N o r d q u is t f ü r s e in e V a r i e t ä t fü r
c h a r a k t e r i s t i s c h g e h a l t e n e V e r h ä l tn i s .
2) N o r d q u i s t : „Das letzte Segment des weiblichen Cephalothorax besteht nur aus zwei lateralen
Flügeln.“ Eine gleiche Angabe fehlt allerdings bei P o p p e . Bei der typischen Form aber t r i t t g le ic h f
a l l s (cf. p. 119) e in v o l l s t ä n d i g e s V e r s c hm e lz e n der mittleren Partie dieses Segments mit dem
vorhergehenden Vorderleibsabschnitte nicht selten auf.
3) Uber das erste weibliche Abdominalsegment sagt N o r d q u i s t , dass es „in der Mitte eingebuchtet“
sei; ich kann hinzufügen, dass es genau die charakteristischen Verhältnisse wie bei der typischen
Form (p. 119, Taf. XI Fig. 4) zeigt.
4) Nach N o r d q u i s t verhalten sich Breite und Länge der Furkaläste zueinander beim Weibchen
wie 1 : 6,6 , beim Männchen wie 1 : 6,7. P o p p e giebt in seiner zweiten Arbeit für beide Geschlechter
1 : 7, also etwa das gleiche Verhältnis an. Da bei allen JEurytemora-Arten oft nicht unbeträchtliche Schwankungen
in dieser Hinsicht Vorkommen,8) so sind die geringen Abweichungen in den Angaben beider Forscher
hier ohne jede Bedeutung.
1) Dass sich JEurytemora affinis wirklich wie Harpacticiden-Arten an Algen etc. festzuhalten vermag, ist mir unwahrscheinlich.
Den letzteren dienen zum Festhalten bekanntlich die starken, geknieten Endborsten der Hinterantennen; solche sind
aber \)Q\[Eurytemora nicht zu finden. — Zwischen den Algen und übrigen Wasserpflanzen am Ufer ist die Strömung geringer
als im offenen Flusse, und das dürfte unserer Art schon ein genügender Schutz sein.
2) Denn P o p p e giebt in seiner ersten Arbeit selbst an, dass JEu. affinis bei Altona im Süsswasser der Elbe vorkommt.
3) Vgl. die bezüglichen Angaben in den Beschreibungen der einzelnen Arten. — Ich habe absichtlich stets nur das
Verhältnis von Länge und Breite der Furkalzweige angegeben; denn der Wert weiterer Angaben (Verhältnis der Furkallängo
zur Länge der Tiere oder zu der des Abdomens) ist in Anbetracht der ausserordentlichen Variabilität der Eurytemora-Arten
besonders in diesen Punkten nur sehr gering anzuschlagen.