seine Unzufriedenheit fühlen zu lassen, was manchmal für
Mutter und Kind ernstliche Folgen haben kann.
Wir werden im Gegenteil später sehen, dass auch nach der
Entbindung beide Eltern, wenigstens teilweise, dieselben Vorschriften
beobachten müssen, womit auch das Vorkommen
der couvade, des Männerwochenbettes, sei es auch in etwas
rudimentärer F o rm , für Nias genügend bewiesen ist.
Mit Absicht habe ich so ausführlich über die Vorschriften
während der Schwangerschaft berichtet, weil sie uns eine Vorstellung
von dem so ausserordentlich verwickelten Gedankenleben
der Niasser geben können. Nicht n u r jedoch während der Gravidität
, sondern auch bei einer ganzen Anzahl anderer Gelegenheiten
und Feierlichkeiten, bei der Heirat, Geburt, bei Todes-
und Krankheitsfällen, der Jagd, beim Hausbau, beim Reisbau,
beim Goldschmieden, — sind die Niasser an eine Reihe von
Vorschriften gebunden, welche sie aus Furcht vor Unglück
und Missgeschick nicht ausser Acht zu lassen wagen; man
kommt dadurch zu der Erkenntnis, dass diese verhältnismässig
wenig entwickelten , auf niedriger Rildungsstufe stehenden
Leute, sich das Leben recht schwer machen.
In seiner Rrochüre über die Psychologie des Javanen hat
sich Kohlbrugge die Frage gestellt, ob die Naturvölker wohl
wirklich so glücklich sind, wie man häutig behauptet. Kohlbrugge
ist der Meinung, dass dies nicht der Fall ist, und zwar
darum, weil der Eingeborene sich fortwährend von Gefahren
umringt wähnt, und um diesen zu entgehen sich immerfort
zu allen möglichen Vorsorgsmassregeln genötigt sieht. „Ein
solcher Mensch”, schreibt Kohlbrugge, „lebt in steter U n ru h e ,
er kann sich niemals ganz gehen lassen, er lebt unter einem
ewigen D ru ck , er kann nicht ruhig gemessen, er kann nicht
glücklich sein, sein Nervensystem befindet" sich in labilem
Gleichgewicht.”
Trotz aller Vorsicht kann es Vorkommen, dass eine niassische
Frau oder ih r Gatte sich während der Gravidität ein Versäumnis
1) Kohlbrugge, J. H. F., Een en ander over de psychologie van
den Javaan. Leiden, 1907.
oder eine Nachlässigkeit hat zu Schulden kommen lassen.
Um die nachteiligen Folgen, die daraus für Mutter und Kind
entspringen k ö n n en , so viel wie möglich abzuwenden, wird
einige Tage vor der Entbindung ein Opfer gebracht und eine
Medizin bereitet, die man famarö goba nennt. Man zieht dazu
im Wald eine Schlingpflanze aus dem Roden, schneidet die
Wurzeln ab und bewahrt die Pflanze, nachdem etwas Öl hinzugegossen
ist, in einem Rambusköcher. Mit diesem Öl reibt dann
die dukun den Leib der schwangeren Frau und ebenso das
Kind gleich nach der Geburt ein. Der Rambusköcher wird
noch lange Zeit in der Familie auf bewahrt 1). A
Ausserdem pflegt man während der Schwangerschaft den adu
zatua fortwährend Opfer zu bringen , um den Segen der Ahnen
für das zu erwartende freudige Ereignis zu erbitten.
In Lölöwua (Ost-Nias) hörte ich von den Eingeborenen, dass
dort beim Eintreten der Schwangerschaft und während ihrer
Dauer kein Fest gegeben wird; wohl pflegt man nach der Geburt
des Kindes eine kanduri zu feiern, in der Regel am zehnten
Tage nach der Entbindung. In besonderen Fällen darf dies Fest
jedoch auch früher oder später, manchmal sogar erst nach
einem Monat gefeiert werden. Das Fest findet dann bei der
Namengebung des Kindes statt.
Um eine glückliche Entbindung zu bewirken, bereitet in
dieser Gegend von Nias der dukun ein obat für die schwangere
Frau. E r schneidet zu diesem Zwecke neun 2) bulu bo (daun
1) Kramer, Fr., Der Götzendienst der Niasser. Tijdschr. v. Ind.
T. L. en V. K. Deel XXXIII. 1890.
2) Die Zahl neun gilt in Nias ebenso wie sieben für eine Glückszahl.
Zehn, acht und sechs, im allgemeinen alle gleichen Zahlen
werden für Unglückszahlen gehalten.
Wenn auf der Schweinejagd ein aufgejagtes Schwein in einer
der Gruben gefangen und getötet worden ist, reibt man den Rücken
des 'Tieres mit neun abgefallenen dürren Baumblättern. Man hofft
dadurch zu bewirken, dass noch neun andere Schweine in die
Grube fallen werden, gleich den neun Blättern, die vom Baum
gefallen sind. (Thomas, De jacht op het eiland Nias. T. I. T. L. en
V. K. XXVI).