die Hand und der ere spricht dabei eine Beschwörungsformel
aus, um die höheren Mächte zu bewegen die Krankheit von
dem Kinde abzuwenden. Es wird ein Huhn geschlachtet und
mit einer Feder etwas von dem Blut des Tieres über den Mund
des adu gestrichen, während der Priester die Worte spricht:
„Dies ist Dein Teil . Darauf wird der adu aufgehangen und
das Huhn aufgegessen, die Federn und das Herz des Tieres
werden in das Canot gelegt. Diesen adu nennt man fanou tun-
draha.
Wenn in Ost-Nias ein Kind scheintot zur Welt kommt,
hläst die Mutter durch die geschlossene Hand in das Ohr und
die Nase des Neugeborenen. Das Kind erschrickt und kommt
dadurch zum Bewusstsein.
Wird in dieser Gegend ein Kind totgeboren, so schreiben
die Eingeborenen es in der Kegel einer Krankheit der Mutter
zu, die dadurch entstanden ist, dass einer der Gatten während
der Schwangerschaft es an den nötigen Yorsichtsmassregeln
hat fehlen lassen. Das Kind wird sofort mit der Nachgeburt
zusammen vor dem Hause begraben. Die Seele totgeborener
Kinder nimmt nach dem Glauben dieser Eingeborenen Lowa-
langi zu sich.
Ausser in den bereits angegebenen Fällen ist es den niassi-
schen Eltern verboten ihre Kinder zu töten. Wenn in Ost-Nias
gemerkt wird, dass ein Vater sein Kind getötet hat, muss er
an das Kamponghaupt eine tüchtige Geldsumme bezahlen. Selbst
wenn das Kind verunstaltet zur Welt kommt, dürfen es
die Eltern nicht töten. Nach Lagemann x) kommt Kindermord
auf Nias selten vor und wenn es der Fall sein sollte, so
geschieht es niemals, weil die Pflege und Versorgung der
Kinder den Eltern zur Last sind, sondern meistens aus abergläubischen
Gründen, so z. B. bei der Geburt von Zwillingen
oder von unehelichen Kindern. Manche Niasser glauben, dass
die Geister ermordeter kleiner Kinder schwangere Frauen
anfallen um ihnen die Frucht zu entreissen. Um dies zu
1) Lagemann, H., Das Niassische Mädchen von seiner Geburt bis zu
seiner Verheiratung. Tijdschr. Ind. T. L. en V. K. Deel XXXVI.
verhüten wird ein adu neben der Schläfstätte der schwangeren
Frau aufgestellt. Dieser fangola ist mit einem ändern adu im
grossen gemeinschaftlichen Wohnraum durch eine Guirlande
von Palmenblättern verbunden. Wenn nun die Geister der
ermordeten Kinder in den Schlafraum der Gravida kommen,
wird sie von dem fangola beschützt und die Geister müssen
sich an der Guirlande entlang zu dem adu im Wohnraum begeben.
Vor diesem adu ist ein Pisangstamm aufgestellt, den die
Geister für die schwangere Frau änsehen und in den sie
hineinziehen *).
In diesem Gebrauch erkennen wir wieder das Princip des
Stellvertreters, das wir im Lauf unsrer Betrachtungen bereits
mehrmals angetroffen h ab en , . und von dem ich noch einige
andere Beispiele anführen kann.
Die Südniasser pflegen an einem bestimmten Fest eingros-
ses Menschen- und Tigerabbild zu machen. Um diese Götzen
wird getanzt und danach werden ihnen Opfer gebracht, dann
wirft man sie in den Fluss als Lösegeld für die Seelen
der Menschen. Dieses Fest findet vor einem heiligen fosi-Baum
statt, man nimmt wahrscheinlich an, dass der Geist dieses Baumes
Seelenstoff entwendet 2).
Andere Niasser machen für einen Kranken ein Götzenbild
aus einem Pisangstamm und zwar von ungefähr derselben
Länge wie der Patient selbst ist. Der Priester schwenkt dies
Bild über den Kranken hin und her und geht damit an das
Fenster. Mit dem Ausruf: „Hier ist das Lösegeld” wirft er den
Pisangstamm hinunter; fällt das Bild so, dass das Gesicht nach
unten gekehrt ist, so gilt das als ein Zeichen, dass der Patient
sterben muss, ist dagegen das Gesicht nach oben gerichtet, so
ist Hoffnung auf Genesung vorhanden.
Wenn ein Priester den Seelenstoff eines noch lebenden In dividuums
sieht, ist dies für ihn ein Zeichen, dass die betreffende
Person bald sterben wird. Auch in diesem Fall wird
1) Kramer, Fr., Der Götzendienst der Niasser. Tijdschr. v. Ind.
T. L. en V. K. Deel XXXIII. 1890.
2)' Thomas, J. W., Drei Jahre in Süd-Nias. Rhein. Missionstraktat
N°. 46. 1892.