Die Mündung des O-U Flusses bei Gunung-Sitoli (Ost-Nias).
ACHTES KAPITEL.
Der Sittenstrenge der Niasser darf man vielleicht auch zuschreiben,
dass Geschlechtskrankheiten auf Nias so selten sind.
Es ist sehr schwierig über das Vorkommen von venerischen
Krankheiten zuverlässige Angaben zu e rh alten ; sie wollen darüber
n u r sehr ungern etwas mitteilen. Die Angaben, die ich durch
eigne Erkundigungen und die, welche ich von den verschiedenen
Beambten erhielt, weichen denn auch erheblich von einander
ab. Der Fall ist um so schwieriger, weil man durch derartige
Gespräche das Vertrauen der Eingeborenen, das der Reisende,
der etwas über ihr Leben erfahren möchte, unbedingt nötig hat,
zu leicht verlieren kann.
Der Militärarzt Dr. Ch. Winckel, der sich einige Zeit im
Bivouak zu Telok Dalam (Süd-Nias) auf hielt und dort auch
eine Anzahl Niasser behandelte, glaubt bei ihnen einzelne Fälle
von lues beobachtet zu haben. Er giebt jedoch z u , dass fram-
bösie nicht mit Sicherheit ausgeschlossen war.
Nach Angabe des dokterdjawa in Gunung-Sitoli sollen
venerische Krankheiten bei den Niassern nicht Vorkommen.
Von den Nordniassern teilte mir der Civilbeamte Hauptmann
Maidman mit, dass Geschlechtskrankheiten hei den
Gebirgsbewohnern sehr selten sind. Tritt ein einzelner Fall
auf, so ist er von der Küste importiert. Mittel gegen diese
Krankheiten besitzen die Bergbewohner nicht. In Alasa wird
als Medikament gegen Geschlechtskrankheiten zerstampfte,
mit Wasser vermengte Holzkohle angewandt. Dies ist auch
ein allgemein gebrauchtes Mittel bei der Behandlung von
Wunden.
In den Küstengegenden von Nord-Nias dagegen sollen venerische
Krankheiten häufiger Vorkommen, als Heilmittel werden
dort angewendet:,
1. der Abguss der Ananas und der kaju damo Frucht, zum
Ein nehmen.
2. Kokosnusswasser aus einer jungen Kokosnuss, die man
über Feuer stark erhitzt hat; es wird ebenfalls getrunken.
Mittel um Geschlechtskrankheiten zu verhüten, kennen in
Nord-Nias weder die Bewohner der Küste noch die des Gebirges
Aus West-Nias berichtete mir der dortige Civilbeamte, dass
Frauenkrankheiten bei den Eingeborenen unbekannt sind.
In Bezug auf die Südniasser schrieb mir der Civilbeamte
Hauptmann Hajenius: „Was das Vorkommen venerischer
Krankheiten betrifft, so kann ich darüber keine Auskunft erteilen.
Die Bevölkerung ist in Bezug darauf viel zu zurückhaltend
und behauptet, dass derartige Krankheiten nicht Vorkommen,
dass sie wenigstens niemals davon gehört haben.
Obgleich ich für meine Person überzeugt bin, dass sie hier
so gut w'ie sonst überall Vorkommen, so glaube ich doch, dass
sie weniger allgemein verbreitet sind. Vielleicht sind die strengeren
Sitten die Ursache hierfür.”
Es ist deutlich, dass, wenn seihst jemand, der lange Zeit
in einer Gegend gelebt hat, so viel Schwierigkeiten hat, um etwas
über das Vorkommen dieser Krankheiten zu erfahren, es für
den Reisenden, dem nur wenig Zeit zur Verfügung steht, beinahe
unmöglich ist zuverlässige Angaben zu erhalten.