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 hing  sich  an  einem  Baum  auf  und  der  Jüngling,  um  sich  zu  
 überzeugen,  ob  sie  auch  gut  hing,  zog noch einmal ordentlich  
 an  ihren  Beinen.  E r  war  aber  zu  feige,  um  nun  auch  sich  
 selbst  zu  töten  und  machte  sich  schleunigst  davon. 
 In  Ost-Nias  pflegt  man  die  Selbstmörder  ohne  jedes  Cere-  
 moniel  an  der  Stelle  zu  begraben,  wo  man  sie  gefunden  hat.  
 Man  fürchtet  sich  vor dem Geist des Selbstmörders. Seine Seele  
 soll  von  der  Gottheit  nicht  aufgenommen  werden.  Besonders  
 für  schwangere  Frauen  wird  es  für  gefährlich  gehalten,  sich  
 an  einen  Ort  zu  wagen,  an  dem  sich Jemand erhängt hat. Der  
 Geist  des  Selbstmörders  kann  sie  krank  machen  und Abortus  
 verursachen  oder  es  kann  geschehen,  dass  ihr  Kin d ,  wenn es  
 ä  terme  geboren  wird,  dem  Selbstmörder  gleicht. 
 Auch  von  einem  Selbstmordversuch  durch Vergiftung wurde  
 mir  in  Ost-Nias  erzählt.  Es  handelte  sich  um  einen  Jüngling, o   o * 
 de r  sich  aus  Kummer  darüber,  dass  er  ein  Mädchen  krank  
 gemacht  h a tte ,  vergiften wollte. Er hatte zu diesem Zwecke eine  
 tote  verwesende  Schlange  (sihaja  dano)  in Wasser gekocht und  
 das  Wasser  getrunken.  Der  Tod  ist  jedoch  nicht  eingetreten. 
 In  West-Nias  wurde  vor  einigen  Monaten  in  einem  Dorfe  
 ein  pradjurit  (inländischer  Polizeibeambter)  von  den  Eingeborenen  
 ermordet.  Als  nun  Soldaten  geschickt  wurden  um  
 die  Leute  zu  strafen,  haben  drei  Frauen  aus  Angst  ihre  drei  
 Kinder  und  nachher  sich  selbst  getötet,  während  eine  andere  
 Frau  ihre  vier  Kinder  umgebracht  und  sich  selbst  schwer  
 verwundet  hat.  (Delibladen  van  22—24  Febr.  1913). 
 Die  Bewohner  von  Nord-Nias  erzählten  m ir , dass bei ihnen  
 Selbstmord  wenig vorkommt. Auch hier hält man Leute, welche  
 Selbstmord  begehen,  für  orang  gila,  irssinige Leute. Ein beghu  
 hat  sie  irrsinnig  gemacht  und  ihnen  befohlen  sich  zu  töten.  
 Ein  einzelnes  Mal  soll  es  geschehen,  dass  sich  unverheiratete  
 Frauen  oder  Mädchen,  die  schwanger  geworden  sind;  aus  
 Scham  und  Angst  das  Leben  nehmen.  In   der  Regel  erhängt  
 sich  die  Unglückliche,  sie  befestigt  zu  diesem  Zwecke  einen  
 tali  an  eine  kräftigen  Baumast  und  schlägt  das  andere  Ende  
 in  einer  Schlinge  um  den  Hals.  Darauf  klettert  sie  auf  den 
 Baum  und  lässt  sich  herunter  fallen.  Die  Leiche  wird  auch  
 hier  ohne  jedes  Ceremoniel  an  der  Stelle,  wo  man  sie findet )  
 begraben.  Welches  Schicksal  den  Geist  oder  die  Seele  eines  
 Selbstmörders  erwartet,  konnte  mir  nicht  angegeben  werden. 
 Manche Niasser glauben, dass sowohl Selbstmörder als Ermordete  
 nach  ihrem  Tod  in  ein  Larewe-insekt verwandelt werden  
 und  im  Jenseits  von  den  andren Geistern abgesondert leben.Û 
 Auch  S u n d e rm an n 2)  berichtet,  dass nach de;-Auffassung der  
 Niasser  Selbstmörder  und  Leute',  die eines,gewaltsamen Todes  
 gestorben  sind,  im  Jenseits  nicht  mit  den  ändern Geistern der  
 Verstorbenen  zusammen  wohnen  dürfen. 
 Hieraus  sowohl,  wie  aus  den  mir  in  Ost-Nias  über  Selbstmörder  
 gemachten  Mitteilungen,  geht  bereits  hervor,  dass die  
 Niasser  den  Begriff einer Wiedervergeltung im Jenseits kennen,  
 und  dass  nach  ihrer  Idee  das  Los  im  Jenseits von dem Betragen  
 auf  Erden  abhängt. 
 Steinmetz  hat  in  einem  Artikel  „Continuität  oder Lohn und  
 Strafe  im  Jenseits  der  Wilden” 3)  Marillier4)  gegenüber  die  
 These  verteidigt,  dass  bei  den  noch  wenig  entwickelten  und  
 gebildeten  Völkern  der  Glaube  an  eine  Wiedervergeltung  im  
 Jenseits  wohl  bestanden  hat  und  dass  diese  Vorstellung,  da  
 wo  man  sie  antrifft,  durchaus  nicht  in  späterer  Zeit  durch  
 die  Berührung  mit  Kulturvölkern  unter  dem  Einfluss  des  
 Christentums  oder  Islams  erst  entstanden  zu  sein  braucht. 
 F ü r  die  Richtigkeit von Steinmetz’ Behauptung spricht ausser  
 den  bereits  genannten  Anschauungen  der  Niasser über Selbstmörder  
 und  Ermordete,  noch  einiges  Andere. 
 Durch  Chatelin 5)  nämlich  wird  uns  mitgeteilt,  dass  nach 
 1)  Lett,  Aug.,  Im  Dienste  des Evangeliums auf der W. Küste von  
 Nias.  Missionstraktat.  Barmen,  1901. 
 2)  Sundermann,  H.,  Die  Insel  Nias  und  die  Mission  daselbst.  
 Allgem.  Missionszeitschr.  1884.  XI. 
 3)  Archiv  für  Anthropologie.  Bd.  XXIV. 
 4)  La  survivance  de  l’âme  et  l’idée  de  justice  chez  les  peuples  
 non  civilisés.  Paris,  1893. 
 5)  Chatelin,  L.  N.  H.  A.,  Godsdienst  en  bijgeloof  der  Niassers.  
 T.  I.  T.  L.  en  V.  K.  Bd.  XXVI.