dämmerung schwärmen die Geister umher. Sie haben es besonders
auf die Frucht abgesehen, denn sie können es nicht ausstehen,
dass wieder ein Mensch geboren werden soll.
Die Eingeborenen in Nord-Nias glauben, dass die bösen
Geister der Schwangeren Schaden tu n , indem sie ihren Schatten
ergreifen. Krankheit und Abortus sind die Folge und manchmal
sogar der Tod. Besonders fürchtet man die Rache der
bösen Geister, auf welche die Frau früher einmal gescholten
hat. Zum Schutze tragen die Gravidae Amulette, die sie meistens
von den an der Küste wohnenden Maleien erhalten.
Um die beghu von der schwangeren Frau abzuhalten, macht
man auch einen a d u , adu fangola, der neben ihre Schlafstätte
gestellt wird; ebenso kommt ein adu in den grossen gemeinsamen
Wohnraum, der mit dem im Schlafraum durch eine
Guirlande von Palmenblättern verbunden wird. Manchmal
werden die adu mit Schwert und Lanze bewaffnet; nach dem
glücklichen Verlauf der Entbindung empfangen sie ein Dankopfer.
Im ethnographischen Museum zu Leiden befinden sich zwei
Götzenbildchen, die mit Pflanzenfasern zusammen an einem
Bambusholz befestigt sind. Das eine, adu nauru genannt, ist
ein schwarzes einigermassen geschnitztes Stück Holz (taliawe-
Holz), das andere, ein gegabelter Zweig aus manawa-Holz.
Es sind dies adu für Schwangere zum Schutz gegen die beghu.
Am meisten gefürchtet sind jedoch die matianak, die Geister
der während oder nach der Entbindung gestorbenen Frauen. In
Lölöwau (West-Nias) erzählte man mir, dass die matianak aussieht
wie der Schatten einer F r a u , die ihre Haare rundum den
Kopf gewunden hat. Nur die Priester können eine matianak
erkennen.
Die matianak lebt besonders gern am Ufer eines Flusses und
näh rt sich von Fischen, Krabben und anderen Wassertieren.
Sie hat es nicht n u r auf schwangere Frauen abgesehen, auch
die Männer lässt sie häufig nicht in Ruhe. In der Abenddämmerung
kommt sie hervor und trachtet einen Mann zu fangen ,
den sie in ihren Schlupfwinkel an den Fluss schleppt. Da hält
sie ihn so lange unter Wasser, bis er bewustlos geworden ist.
Hat er sich wieder erholt, so befiehlt ihm die matianak in einen
hohen Kokosnussbaum zu klettern und eine Kokosnuss zu
pflücken. In dem aus der Nuss gewonnenem Öl kocht sie ein
Menschenhaupt. Auf diese Weise bereitet sie ein obat, mit
dem der Mann seinen Körper einschmieren muss; dadurch
kommt er ganz und gar in die Macht der matianak und ist
bereit auch geschlechtliche Gemeinschaft mit ihr zu pflegen. Die
matiaftak ist nun auch ihrerseits
bereit ihm einen Dienst zu erweisen.
Er vermag durch das obat,
das ihm der Geist reicht, unbemerkt
zu stehlen, aber n u r die
Gegenstände, die er der matianak
vorher genannt h a t ; versucht
er auch andere Dinge zu nehmen,
so wird er auf heisser T at ertappt.
Ist er bei dem Hau s, in dem
er den Diebstahl verüben will, angekommen,
misst er zwischen
Daumen und kleinem Finger eine
Spanne an der Eingangöffnung
ab und bestreicht die Stelle mit
dem V O n der matianak erhalte- Adu n au ru , wird für schwangere
Frauen gegen die beghu auigestellt.
nen obat a); dadurch vermag er
a) Anmerk. Die Auffassung, dass Leichen im allgemeinen und
Teile einer Leiche die Kraft besitzen Dieben unbemerktes Stehlen
zu ermöglichen, findet man bei verschiedenen Völkern. In manchen
Ländern machen die Diebe aus dem Fett ungeborener Kinder oder
gestorbener schwangerer Frauen Kerzen, in der Meinung bei ihrem
Licht ungestört stehlen zu können. In Wardenburg heisst es,
Räuber und Mörder schneiden schwangeren Weibern den Leib auf
und machen von den Fingern der ungeborenen Kinder Kerzen.
Wenn diese Kerzen angezündet sind, so lassen sie, so lange sie
brennen , keinen Schlafenden erwachen. Nach einem in der Pfalz
kreisendem Wahne soll der Finger eines ungetauft verstorbenen
Kindes unsichtbar machen. In Polen glaubt man, dass die erstbeste
Ader aus einer Leiche, getrocknet und angezündet, den Dieb