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 SIEBENTES  KAPITEL. 
 Nach  dieser  Abschweifung  wollen  wir  zur  niassischen Frau  
 zurückkehren,  um  über  Schwangerschaft  und  Entbindung  
 noch  einiges  genauer  zu  erfahren. 
 Meine  Frage,  ob  die  Frau  auf Nias während ihrer Gravidität  
 von  ihrer  Umgebung  gemieden wird,  wurde  mir  überall  verneinend  
 beantwortet. Sie verkehrt in gewohnter Weise mit ihren  
 Haus-  und  Kamponggenossen,  von  niemand  gemieden,  und  
 verrichtet  ihre, Arbeit  meistens  bis  zum letzten Augenblick vor  
 dem  Anfang  der  Entbindung.  „ Die  gewöhnlichen  Arbeiten,”  
 schreibt  Modigliani  1),  „werden  ununterbrochen  weiter  verrichtet  
 und  die aussergewöhnlichen Anstrengungen, das Tragen  
 der  Lasten  von  Frau en ,  abgesehen  von  besonderen Ursachen  
 durch  Fallen  und  Krankheiten,  sind bereits an sich genügend, 
 1)  Modigliani,  E.,  Un  viaggio  a  Nias.  Milano,  1890. 
 um  zahlreiche  Fehlgeburten  zu  verursachen,  wodurch  das  
 Wachstum  der  Familien  beeinträgtigt  wird.  Bei den wenig Bemittelten  
 zählt  man  gewöhnlich  n u r zwei oder drei Kinder und  
 n u r  bei  den  reichsten  Familien,  bei  denen  die  Frau en , wenn  
 sie  auch  arbeiten  müssen,  doch  geringeren  Anstrengungen  
 ausgesetzt  sind,  sieht  man  die  Anzahl  der  Kinder  wachsen.” 
 Die  Geburtswehen  erklären  sich  die  Ostniasser  durch  die  
 Bewegungen,  die  das  Kind  macht  um  zur  Welt  zu  kommen.  
 In  Lahewa  (Nord-Nias)  wurde mir dieselbe Erklärung gegeben.  
 In  West-Nias  sagte  man  mir,  dass  die  Wehen  eine  Folge  der  
 Versuche  seien,  welche  die  Frucht  macht,  um  die  Öffnung  
 zu  finden,  durch  die sie den Körper der Mutter verlassen kann.  
 Dort  glaubt  man  durch  ein  obat  die  Geburt  erleichtern  zu  
 können.  Man  zerstampft  die  bulu  golalo,  presst  den  Saft  aus  
 und  giebt  ihn  mit  Wasser  vermischt  der  Frau  zu  trinken.  In  
 Lölöwau  (W.  Nias)  erzählte  man  mir,  dass  es dem Gatten verboten  
 ist,  den  Kaum,  in  dem  die Entbindung vor sich geht, zu  
 betreten.  Er  sitzt  während  der  Geburt vor der Türe des Schlaf-  
 raumes  seiner  Frau  und  darf  nur von Zeit zu Zeit um die Ecke  
 gucken.  Kinder  dürfen bei einer Entbindung nicht zugegen sein. 
 Die  Entbindung  findet  auf  folgende  Weise  statt:  Zuerst  
 setzt  man  die  Frau  aufrecht  hin,  mit  dem  Bücken  gegen  
 die  Wand  gelehnt.  Die  Geburtshelferin  stellt  sich  vor  sie,  
 legt  beide  Hände  auf  ihren  Leib  und  bewegt  sie  zirkelförmig  
 über  den  Bauch.  Hierdurch  soll sich der Kopf der Frucht nach  
 unten  und  der  Steiss  nach  oben  richten.  Ist  dieser  Zustand  
 hergestellt,  kauert  sich  die Gebärende mit seitwärts gespreizten  
 Beinen  nieder.  Die  dukun  setzt  sich  neben  sie  auf  die  Erde,  
 legt  die  linke  Hand  auf  ihren  Leib,  die  rechte  auf  ihren  
 Rücken  und  drückt  nun  gleichzeitig  mit  beiden  Händen  von  
 oben  nach  unten,  um  so  das  Kind  zum Vorschein zu bringen.  
 Ist  das  geschehen,  sucht  sie  die  Placenta  auf  dieselbe  Weise  
 heraus  zu  drücken.  Sowie  die  Entbindung  beendigt  ist,  setzt  
 sich  die  Mutter  mit  gerade  ausgestreckten  Beinen platt auf die  
 Erde,  das  neugeborene  Kind  und  die  Nachgeburt  werden  an  
 ihre  rechte  Seite  gelegt.  Dann  wäscht  man  die  Frau  mit  
 Flusswasser;  in  früheren  Zeiten liess sie sich durch einen Hund