vermeldet, dass die durchbohrten Ohren der Niasser bis auf
die Schultern reichen „Their ears are pierced and distended
in so extraordinary a manner as nearly, in many instances,
to touch the shoulders, particularly when the flap has by excessive
distension or by accident been rent asu n d er”. '
Wie gesagt, findet man bei den männlichen adu stets n u r das
rechte Ohr durchbohrt und mit Schmuck versehen. Ein Vergleich
jedoch mit hierauf bezüglichen Gebräuchen bei anderen
Völkern berechtigt zu der Annahme, dass ursprünglich mehr als
eine Andeutung des Geschlechtes hierdurch beabsichtigt war. So
teilte man mir m it, dass m a n , wenn bei chinesischen Knaben die
eine Hode schwerer ist als die andere, zur Herstellung des
Gleichgewichtes an der leichtesten Seite einen Ohrhänger im
Ohre befestigt.
Bei manchen Kasten in Hinterindien ist es
Gebrauch den neugeborenen Kindern irgend
einen Scheltnamen zu geben, um die bösen
Geister von ihnen abzuwehren. Ausserdem bekommen
sie in das rechte Ohr und den rechten
Nasenflügel einen goldnen Zierrat 0- Nach der
Auffassung dieser Leute sind die Ohren, die
in direkter Verbinding mit dem Gehirn stehen,
eine der Pforten, durch welche die bösen
Geister in den menschlichen Körper eindringen
können. Der im Ohre angebrachte Gegenstand
bedeutet also weniger einen Schmuck oder ein
Männlichkeitsymbol, sondern vielmehr ein
gegen das Eindringen böser Geister schützendes
Amulett. Es ist möglich, dass ursprünglich
Chinesischer Ohrring,
der getragen wird, wenn
die eine Hode schwerer
ist als die andere.-
bei den Niassern analoge Vorstellungen bestanden haben oder
dass in früheren Zeiten, wie bei so vielen ändern Völkern, mir
die Männer Ohrgehänge trugen, und dass erst später, als die
eigentliche Bedeutung in Vergessenheit geraten war, es auch bei
den Frauen Gewohnheit wnirde und zwar in beiden Ohren,
1) Thurston, Edgar, Deformity and Mutilation. Madras Government
Museum. Bull. Vol. IV. N°. 3. Anthropology. Madras, 1903.
sei es nun zum Unterschied von den Männern oder als N achahmung
der Sitte anderer Völker.
Vielleicht hat man auch in dem Durchbohren der Ohrläppchen
die Überreste einer Öpfertat zu seh en , die auf dem Prinzip
des „p ars pro to to ” b eru h t, wie ja auch die Niasser häufig
den Sklaven ein Stück vom Ohr abschneiden, um mit dem
hervorströmenden Blut den adu des Schutzgeistes der „Kop-
pensneller ” zu bestreichen. Auch bei ändern Völkern findet
man derartige Gebräuche.
In Brandenburg glaubt das Volk, dass es von Bedeutung
sein k a n n , in welchem Ohr man ein Schmuckstück anbringt.
Bei Augenkrankheiten muss man vor allem daran denken, den
Ohrring im linken Ohr zu befestigen.