Solange das Kind noch sehr klein ist, trägt es die Mutter vor
der Brust auf den Armen, später trägt sie es auf dem Rücken.
Missionar Fehr J) vermutet, dass durch dies Tragen auf dem
Rücken, wobei die Nase des Kindes sich gegen den Rücken
der Mutter andrückt, die breiten platten Nasen der Niasser entstehen.
Mir leuchtet diese Erklärung wenig ein, da ich dieselben
auch bei ändern Stämmen, bei denen die Frauen ihre Kinder
nicht auf dem Rücken tragen, angetroffen habe. Die breiten
platten Nasen der Niasser glaube ich als eine Rasseneigentümlichkeit
betrachten zu müssen.
Wenn in Nord-Nias (Lahewa) ein Kind geboren ist, wird
es gleich, so wie die Nabelschnur durchschnitten ist, mit
kaltem Wasser gereinigt und zwar von der Mutter selbst. Dann
wickelt man es mit auf der Brust gekreuzten Armen und ausgestreckten
Beinen in ein kain. Nur das Gesicht bleibt unbedeckt.
Darauf streicht die Mutter etwas Reis über die läppen des
Kindes, wobei sie laut ru ft: „ Hier ist Dein Leben, wenn Du
einmal tot bist, wirst Du es nicht mehr bekommen!”
Bei neugeborenen Kindern behandelt man die kleine Fontanelle
m it:
1. Bulu lagene (Blätter eines Baumes mit kleinen Blättern);
2. Sowaluse (daun Maniran);
3. Fawuwö (Sirihblätter);
4. Fino (Pinangnuss);
5. Betsua (Sirihkalk).
Diese Ingredienzien werden von der Mutter zusammen zerkaut
und au f die upu (Fontanelle) gespieen. Hierdurch soll
die nosso (Seele) im Körper festgehalten werden, es geschieht
also nicht des Haarwuchses wegen.
Einen analogen Begriff findet mah bei den Karo-Bataks in Sumatra,
die bei einem kleinen Kind das Haar niemals ganz abschneiden,
sondern eine Locke stehen lassen, damit der noch nicht sehr
starke „ Tendi ” (Lebensgeist) nicht entfliehe. (Batakspiegel. Ausgabe
des Batak-Institut N°. 3. Leiden, 1910).
1) Der Niasser im Leben und Sterben. Rhein. Mis&ionsschr.
No. 115. Barmen, 1901.
Das Kind bekommt auch in Nord-Nias sofort nach der Geburt
die Brust. Fast immer können die nordniassischen Frauen
ihre Kinder selbst nähren. Ist die Milcherzeugung nicht reichlich,
so giebt man der Frau jungen mit santen gekochten Reis zu
essen, hilft dies nicht genügend, so bittet man eine andere Frau
das Kind zu nähren. Diese erhält dann als Belohnung etwas
Gold, im Werte von 18 Gulden und ein Schwein, im Werte
von 10 Gulden. Ist keine Amme zu bekommen, wird das Kind
in der Regel umkommen, denn Kuhmilch steht fast niemals
zur Verfügung. Kinder von einem Haustier säugen zu lassen
kommt auf Nias nicht vor.
Auch in Nord-Nias stecken alte Frauen den Säuglingen die
Brustwarze in den Mund, um sie still zu halten, manchmal
machen sie auch aus einem Lappen einen Lutscher, den sie
mit Wasser befeuchten.
In West-Nias giebt man einer jungen Mutter, die nicht genügend
Nahrung für ihr Kind hat, ebenfalls bubur und san ten ;
um das Kind zu beruhigen, wenn es den ersten Tagen zu
wenig Milch erhält, befeuchtet man ein aus Lappen gedrehtes
Röllchen mit santen und steckt es dem Kind in den Mund.
Bleibt die Secretion ungenügend, so werden die mammae
massiert. Muss eine Amme genommen werden, so erhält dieselbe
für ihre Dienste eine Belohnung von zwanzig Gulden und
zwar erst dann, wenn das Kind laufen kann.
Eine niassische Mutter säugt ih r Kind häufig mehrere Jahre
und selbst dann n o ch , wenn sie au fs Neue schwanger geworden
ist. Man sieht manchmal kleine Knaben, die bereits mit einer
Cigarette im Mund herumspazieren, dieselbe zur Seite legen,
um sich an der Brust ihrer Mutter zu erquicken. In manchen
Gegenden pflegt man dem Kind, wenn es ein Knabe ist, gleich
nach der Geburt ein Arbeitsmesser in die Hand zu geben, wobei
der Vater die Worte spricht: „Denke d a ra n , dass Du arbeiten
musst.” Um seinen Worten grösseren Nachdruck zu geben,
stampft er dazu mit den Füssen auf den Boden. Einem Mädchen
giebt man ein Grasmesser in die Hand. Man glaubt, dass
das Kind träge und faul wird, wenn beim Aussprechen der
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