
 
        
         
		Modigliani  1)  schreibt:  „Obgleich  all’  diese  Vorsorge  (vor,  
 während  und  nach  der  Gravidität)  die  Liebe  zeigt,  welche die  
 Niasser  für  ihre  Kinder  fü h len ,  so  glaube ich doch, dass wenn  
 man  das  Gefühl  des  Egoismus, welches  nach  Kindern verlangt  
 weil  es  für  eine  Schmach  gilt  keine  zu  besitzen  und  weil  es  
 nötig  ist  einen Erben zu haben, damit die Seele des Vaters Ruhe  
 habe,  mit  berücksichtigt,  man  die Elternliebe der Niasser nicht  
 loben  kann.  Sie  haben  ihre  Kinder  gern, ohne es auf besondere  
 Weise  zu  äussern.” 
 Missionar  Sundermann  2)  meint,  dass  „bei  dem  Volke  ein  
 sehr  starkes  Familienbewusstsein  besteht.  Die  Eltern  hängen  
 sehr  an  den  Kindern  und  die  Kinder  an  den  Eltern.  Selbst  
 Erwachsene  können  sich noch nicht von ihren Eltern trennen.” 
 Modigliani  jedoch  glaubt,  dass  dies  n u r einzelne accidentelle  
 Fälle  sind;  ich  selbst  bin  der  Ansicht,  dass  es  in  der  Regel  
 äusserliche,  mehr  oder  weniger  officielle,  durch  den  adat vorgeschriebene  
 Liebesbeweise  der  Kinder  gegen  ihre Eltern sind. 
 Auch  Durdik  3)  teilt  mit,  dass  die  Niasser männliche Nachkommen  
 bevorzugen. „Der allgemein hier herrschende Glaube,”  
 schreibt  er,  „dass  die  Mutter  beim  Erzeugen  der  Kinder  die  
 Hauptrolle  spielt  und  durchaus  verantwortlich  dafür  gemacht  
 wird,  hat  für  die  niassische  Frau  auch  häufig  eine gute Seite,  
 nämlich  dann,  wenn  ih r  erstes  Kind  ein  Knabe  ist oder wenn  
 sie  hintereinander  mehrere  Knaben  zur  Welt  bringt.  Jeder  
 Niasser  hält  es  für  eine  religiöse  Pflicht,  männliche  Nachkommen  
 zu  hinterlassen,  weil  nur  der  Sohn die Götzenbilder  
 der  Ahnen,  die  mit  heiliger  Verehrung bewahrt werden, erben  
 k a n n ;  ausserdem wird der Niasser, der einen männlichen Erben  
 auf  Erden  hinterlässt,  in  der  zukünftigen  Welt  ewig  als Geist  
 weiterleben,  während  die  Seele  dessen,  der  ohne  männliche  
 Nachkommen  gestorben  ist,  nach  seinem  Tod  in  eine  grosse  
 Motte  verwandelt wird, die ebenso wie andere Motten zu Grunde 
 1)  Modigliani,  E.,  Un  viaggio  a  Nias.  Milano,  1890. 
 2)  Sunderinann,  H.,  Die  Insel  Nias  und  die  Mission  daselbst.  
 Allg.  Missions  Zeitschr.  Band  XI. 
 3)  Durdik,  P.,  Genees-  en  Verloskunde  bij  de  Niassers.  Gen.  
 Tijdschr.  van  Ned.  Indie.  Deel  XXII. 
 gehen  wird.  Ewig  als  Geist  weiter  fortbestehen  oder  in  das  
 Nichts  zurücksinken,  das  ist  der  Grund,  der  den  Niasser  
 zwingt,  eine  F rau ,  die  ihm  keinen  Sohn  schenkt,  zu  verstos-  
 sen  und  eine  andere  zu heiraten in der Hoffnung m it ihr männliche  
 Erben  zu  zeugen.” 
 Missionar  Kramer  x)  teilt  uns  mit,  dass  in  der Regel nur für  
 diejenigen,  die  männliche  Nachkommen  hinterlassen,  adu  
 zatua gemacht werden.  In einzelnen Fällen verfertigt man jedoch  
 auch  für  Leute,  die  n u r  eine  Tochter hinterlassen haben einen  
 adu  zatua,  er  wird  j edoch  nicht  mit  den  ändern zatua zusammen  
 gebunden,  sondern  abgesondert  bewahrt. 
 Nach  Missionar  Friess  2)  wünschen  sich  die  Niasser männliche  
 Nachkommen,  weil  sie  ihrem  verstorbenen  Vater  die  
 schuldigen  Ehren  erweisen  können.  Wird  <lies unterlassen, so  
 fühlt  der  Vater  sich  an  seiner  Ehre  verkürzt,  er  schämt  sich  
 des  unwürdigen  Sohnes. 
 Besonders  die  Kamponghäupter  verlangen männliche Nachkommen. 
   Die  beghu  der  Ahnen  leben in der Unterwelt, die der  
 Kamponghäupter  und  der  Angesehenen wollen jedoch nicht in  
 der  Unterwelt  mit  den einfachen Leuten zusammenwohnen, sie  
 wollen  in  den  Himmel  kommen  in den  Tete Holiana’a, wo die  
 Stammväter  der  Niasser  als  Halbgötter  lebten  und  von  wo  
 aus  die  Menschen  auf  die  Insel Nias hernieder stiegen. Nur die  
 Söhne  können  dafür  sorgen,  dass  die  Seele  ihres  Vaters  aus  
 der Unterwelt in den Tete Holiana’a übergeht, und zwar dadurch,  
 dass  sie  ein  Jah r  nach  dem  Tode  ihres  Vaters  seine  Gebeine  
 aufgraben,  was  mit  allerlei  Ceremonien  zu  geschehen hat. Die  
 Gebeine  werden  darauf  vor  die  adu  zatua  niedergelegt  und es  
 wird  ein  Opfermahl  gehalten.  Nach  Ablauf  desselben  schickt  
 man  mitten  in  der  Nacht Jemand a u s , der die Gebeine an einer  
 entlegenen Niemand bekannten Stelle au fs Neue begraben muss.  
 Nach  der  Rückkehr  desselben  fängt  ein  Trauern  und  Wehklagen  
 um  den  Toten  a n ,  als  ob  er  soeben  gestorben  sei. 
 1)  Kramer,  Fr.,  Der  Götzendienst  der  Niasser.  Tijdschr.  v.  Ind.  
 T.  L.  en  V.  K.  Deel  XXXIII.  1890. 
 2)  Friess,  E.,  Das  Köppensnellen  auf  Nias.  Allgem.  Missions  
 Zeitschr.  1908.