des Kranken zurückzugeben. Sowie der ere auf der Schüssel
einen Mondstrahl sieh t, ist dies für ihn ein Zeichen, dass die
Seele zurückgekehrt ist. Er nimmt die Seele dann aus der
Schüssel und steckt sie in einen Bambusköcher. Der Patient
muss diesen Köcher gut in einem Kasten bewahren und darf
denselben niemals öffnen, denn dann könnte die Seele au fs Neue
entfliehen und der Betreffende würde dann gewiss sterben.
Manchmal braucht der Priester auch n u r seine BesGhwörungs-
formein auszusprechen, um den bösen Geist augenblicklich
dazu zu bewegen die geraubte Seele des Kranken zurückzugeben
; der Priester legt dann die flache Hand auf den Bücken
des Patienten, wodurch die Seele wieder in seinen Körper
zurückkehrt.
Hat der böse Geist jedoch die Seele des Kranken bereits
aufgegessen, dann ist dem Unglücklichen nicht mehr zu helfen,
er muss sterben. Der Priester kann dies jedoch häufig
noch im rechten Moment verhindern. Zu diesem Zwecke macht
er aus einem jungen Blatt der Kokospalme eine Art Körbchen
und legt ein Sirihblatt, etwas Pinang, Sirihkalk, Gambir,
Taback und auch ein Geldstückchen hinein.
Hierauf setzt der Priester sich dicht neben den Kranken
nieder, stellt das Körbchen vor sich auf die Erde und fleht
nun einen b e la , einen ihm wohlgesinnten mächtigeren Geist, an
den beghu, der es gewagt hat die Seele des Leidenden fortzunehmen,
aufzuspüren und ihn zu zwingen sie dem Kranken
zurückzugeben. Dann fragt der Priester den Kranken, wie er
sich fühle und ob es ihm schon etwas besser gehe. Ist das
letztere der F all, dann weiss der Priester, dass der bela ihn
erhört hat. Fühlt sich der Patient jedoch noch nicht wo hier,
so zerstampft der Priester einige liu-liublätter und reibt den
Körper des Kranken mit dem ausgepressten Saft ein. Wenn
auch darauf keine Besserung eintritt, steckt der Priester ein
Sirihblatt in den Mund, kaut einige Zeit darauf und bestreicht
dann den Körper des Patienten mit seinem Speichel.
Auch muss ein adu verfertigt werd en , um den beghu
günstig zu stimmen und zur Herausgabe der Seele zu überreden.
Wenn in Lahewa (Nord-Nias) der Priester überzeugt ist, dass
die Krankheit die Folge des Raubes der sumange, der Seele,
ist, begiebt er sich gegen Abend nach dem Hause des Patienten
und setzt sich neben dem Hause hin. Einige Stunden lang
schlägt er dann die Trommel und zwar mit der linken Hand,
während er mit der Rechten ein Kokospalmblatt hin- und
herbewegt. Dies bezweckt die Aufmerksamkeit des beghu zu
erregen, der nun auf das sich bewegende Palmenblatt zukommt.
Sobald der Priester bemerkt, dass sich der böse Geist genähert
hat, fragt er ih n , ob er bereit ist, die Seele zurückzugeben.
Will der beghu dem Andringen des Priesters nachgeben, dann
sieht der Priester die Seele des Kranken in Gestalt einer Leuchtkäfers
auf dem unterm Ende des Blattes sitzen. Schnell fängt
er das Tierchen, geht damit eilends zu dem Kranken und
öffnet seine Hand über der Nasenwurzel desselben oder über
dem linken oder rechten Schlüsselbein, damit die Seele wieder
in den Körper eindringe. Als Belohnung für seine Dienste erhält
der Priester ein junges Schwein. Besonders Menschen, die
sich bereits nicht ganz wohl fühlen, trachtet der beghu die
Seele zu r a u b e n ; so wie sie sich ausserhalb der schützenden
Mauern des Hauses befinden, ersieht er seinen Vorteil. Er
quält, kneift und wirft die geraubte Seele des Leidenden hin
und her, wodurch dieser ernstlich erkrankt.
Auch kleine Kinder machen die beghu nicht selten krank,
indem sie ihre lume-lume, ihren Schatten, aufessen; besonders
die beghu sibua und die nadaoja sind dazu geneigt.
Aus dem Vorhergehenden erhellt zur Genüge, dass die Nias-
ser, wie so viele andere eingeborene Stämme Ostindiens a)
sich den Schatten des Menschen beseelt vorstellen. In Telok
Dalam (Süd-Nias) sagten mir die Priester ausdrücklich, dass
böse Geister die Seele vom Schatten eines Menschen wegnehmen
können, was dann Krankheit zur Folge hat. Isst der
böse Geist die Seele auf, so stirbt der Mensch; befiehlt aber
Lowalangi dem beghu die Seele zurückzubringen, so ist
a) Siehe Albert Kruyt: Het Animisme in den Indischen Archipel.
’s-Gravenhage, 1906.