Kampongs schwere Epidemien ausgebrochen. Es hies Ono
Lowalangi, der Sohn von Lowalangi Sei erschienen, um alle
Menschen zu verderben. Fehr wusste die armen Menschen zu
beruhigen, und als sich wirklich weiter keine unglücklichen
Folgen zeigten, stieg das Vertrauen der Eingeborenen zu dem
Missionar seh r; sie kamen seitdem regelmässig zu ihm, um
sich Hülfe und Rat von ihm zu erbitten.
Wir werden später sehen, dass die niassischen Priester in
medischen Fällen auch den verschiedenen Mondphasen Bedeutung
beilegen, ebenso bestimmten Stunden des Tages, denn
die Krankheit verursachenden Geister pflegen n u r zu bestimmten
Tageszeiten umherzustreifen. Auch müssen manche Arzneikräuter
, sollen sie eine günstige Wirkung haben, an bestimmten
Tagesstunden gesammelt werden.
In Bezug auf die Jahreszeit erzählten mir die Nordniasser,
dass die meisten Krankheiten in der Regenzeit Vorkommen;
man schreibt dies den schlechten Passatwinden zu.
Wir haben schon beobachtet, dass Regen mit Sonnenschein
von den Niassern für sehr gefährlich gehalten wird, weil dann die
Geister umherstreifen, welche Krankheiten verursachen. Dieselbe
Vorstellung findet man auch bei verschiedenen anderen Stämmen
in In d ien ; so konnte ich dieselbe bei auch den Minangkabau-
Malaien constatieren. Eine andere Meinung haben dagegen die
Toradja in Celebes über diese Erscheinung. Sie nennen solchen
Regen „udja nubamba eo”, das bedeutet Regen, der ein Spass,
ein Scherz der Sonne ist. Damit wollen sie sagen, dass durch
diese Regen das Sonnenlicht nicht verschwindet oder abnimmt,
wie bei anderem der Regen. Den „udja nubamba eo” halten die
Toradja für lebenbringend, denn es sind die Thränen der Ahnen,
welche sehen , dass einer ihrer Nachkommen gestorben ist und
darüber betrübt sind. Solche Tränen werden für sehr lebenskräftig
gehalten. In dem Koman von Sese ntaota wird der Held
der Erzählung mehrere Male getötet, aber jedesmal fällt bei
Sonnenschein ein Regen auf ihn nieder, der ihn wieder lebendig
m a c h t1).
1) Adriani en Kruyt, De Bara’e-sprekende Toradja’s, Den Haag, 1912.
Wenn in Nord-Nias einige Zeit andauernd Regengüsse
fallen, so ist das für den Priester ein Beweis, dass sich ein
schwangeres Mädchen im Kampong befindet. In anderen Gegenden
glaubt man, dass anhaltende Trockenheit und darauf folgende
Missernte eine Folge der Tatsache ist, dass eine u n verheiratete
Frau schwanger geworden ist oder eine verheiratete
Frau Ehebruch begangen hat. Wenn es regnet und zugleich
die Sonne scheint, irren die Geister umher, welche die Menschen
krank machen. Auch tellurischen Einflüssen schreiben die
Niasser bei der Entstehung von Krankheiten Bedeutung z u ;
so sollen besonders Erdbeben nicht selten Epidemien zur Folge
haben. In Siid-Nias glauben die Eingeborenen, dass ein Erdbeben
gespürt w ird , wenn ein Häuptling (Sioeloe) gestorben
ist. Andere Niasser sind überzeugt, dass Erdbeben durch die
Bewegungen der Riesenschlange (sawa), die sich durch die
Zauberkraft von Selewe-Nazarata in der Erde befindet, verursacht
werden. Ein Erdbeben zeigt sich auch d an n , wenn die
Gottheit Baluwadano die Erde im Grimm schüttelt; alle Unternehmungen,
Hochzeiten, Verlobungen, Häuserbauen, Reisen
u.s.w. werden dann aufgeschoben, denn Baluwadano hat ein
Zeichen gegeben, dass man kein Glück damit haben wird.
Kramer hat ausführlich mitgeteilt, was in gewissen Gegenden
von Nias alles nötig ist, ehe ein junger Mann zum Priester
geweiht werden kann t).
Die meisten Leute, die in den Priesterstand aufgenommen
werden möchten, fangen an sich wie Irrsinnige zu gebärden.
Ohne Jemanden von ihrem Vorhaben etwas mitzuteilen, laufen
sie fort und verstecken sich einige Tage in den Wäldern.
Die Kamponggenossen glauben d a n n , dass ein böser Geist den
Betreffenden entführt hat und dass er sich in irgend einem
hohen Baum, in dem der Geist haust, auf hält. Sie rufenden
Priester und bitten ih n , den beghu um die Herausgabe des
geraubten Mannes anzuflehen. Am Baum opfert man Hühner,
man schlägt auf die Gongs und mit Stöcken gegen den Baum-
1) Kramer, Fr. Der Götzendienst der Niasser. T. I. T. L. en V. K.
Bd. XXXIII, 1890.