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 einen  gewissen  Einfluss  zuschreiben,  so ist es doch eine andere  
 Gruppe  höherer  Wesen,  welcher  diese  Krankheit  erregende  
 Kraft  in  weit  grösserem  Masse  zuerkannt  wird.  Es  sind  die  
 beghu,  die  bösen  Geister. 
 „Bezeichnend  für  den  Karakter der Niasser” — schreibt Chatelin  
 —  „ist das Verhältnis, in welches sie sich zu ihren zu Gottheiten  
 erhobenen Vorvätern stellen. So fürchten sie die im Range  
 tiefer  stehenden  Götter  mehr  als  die  höheren,  auch  dann  
 wenn  die  letzteren  stärker  sind.  So  kann  es also sein , dass die  
 Niasser  vor  den  beghu,  den  niedriger  stehenden  Mächten,  
 mehr  Furcht  haben,  als vor den höheren Gottheiten, so spielen  
 die  beghu  im  Gedankengang  des  heidnischen  Niassers  eine  
 sehr  viel  bedeutendere  Rolle,  als  die  über  diesen  Geistern  
 stehenden  Mächte. 
 Diese  niedrigeren  Mächte,  die  den  Menschen  krank  zu  
 machen  vermögen,  können  häufig  durch  Opfer  yersöhntwerden, 
   es  sei  denn,  dass  Lowalangi  den  Tod  des Menschen  beschlossen  
 habe.  In  dem  Falle  können Opfer nicht mehr helfen.  
 Ist  das  nicht  der  F all,  so  sagt  der  Niasser:  „L ö   saetoe  ba  
 Lowalangi  d.  h.  seine  Seele  ist  von  Lowalangi  noch  nicht  
 abgerissen.”  x) 
 Die  Geister,  die  im  Stande  sind  den  Menschen  Unheil  und  
 Krankheit  zu  schicken,  tragen  verschiedene  Namen. 
 Unter  ihnen  spielen  besonders  Aföcha  und  Nadaoja  eine  
 bedeutende  Rolle.  Wenn  ein  Niasser  versäumt  ihnen  die  
 erforderlichen  Ehren  zu  erweisen,  suchen  sie  den  Betreffenden  
 zu  fangen  und  rächen  sich dadurch, dass sie den Unglücklichen  
 krank machen.  Beide  Geister sollen ihren Aufenthaltsort  
 im  nördlichen  Teil  von  Nias haben und von dort aus Raubzüge  
 über  die  Insel  unternehmen  mit  der  Absicht  Eingeborene  zu  
 fangen.  Nach  dem  Glauben  der  Niasser  spannt  Nadaoja  ein  
 Netz  über  die  Erde  aus,  um  darin  seine  Opfer  zu  fangen;  
 der  Schatten  dieses  Netzes ist der Regenbogen; dadurch erklärt  
 sich  die  Angst,  welche  die Niasser vor dem Regenbogen hegen. 
 1)  Sundermann,  H.,  Der  Kultus  der  Niasser.  Globus  1891. 
 Sowie  sich  ein  Regenbogen  am  Himmel  zeigt,  rufen  sie  ihre  
 Kinder  in ’s  Haus  '); 
 Nach  Sundermann 2)  können  Aföcha  und Nadaoja die Menschen  
 dadurch  krank  machen,  dass sie ihre Schatten aufessen ;  
 Chatelin  dagegen  sagt,  dass Aföcha und Nadaoja den Menschen  
 n u r  einfangen,  und  dass  dann  Lature  seinen  Schatten aufisst,  
 was  Erkrankung  oder  eventuell  den  Tod  zur  Folge  hat. 
 Nadaoja  wird  uns  von  Chatelin  als  ein  so  mächtiger  Geist  
 beschrieben,  dass  die  Bäume,  deren Gipfel  er bei seinem Zuge  
 durch  die  Luft  n u r  eben  mit  den  Füssen  b e rü h rt,  augenblicklich  
 zerschmettert  Umstürzen. 
 ln  dem  Kampong  Lölöwua  unweit von der Ostküste der Insel  
 erzählten mir die Eingeborenen, dass Nadaoja es ganz besonders  
 auf  junge  Kinder  abgesehen  habe,  deren  Schatten  (lumä)  er  
 aufisst,  worauf  die  Kinder  von Fieber befallen werden, dem sie  
 sehr  bald  erliegen. 
 In  Süd-Nias  (Telok  Dalam)  glauben  die Eingeborenen, dass  
 Malaria  in  der  Regel  durch  Nadaoja,  der  in  hohen  Bäumen  
 wohnt,  verursacht  wird.  Man  beschrieb  mir  dort Nadaoja  als  
 einen  Geist  in  menschlicher  Gestalt,  jedoch  von  riesenhafter  
 Grösse. Die Augen befinden sich oben auf dem Kopfe des Geistes.  
 Die  Eingeborenen  von  Süd-Nias  glauben,  dass  Nadaoja  den  
 Schatten  der  Menschen  greift,  wenn  sie  im  Fluss  baden;  
 dadurch  entsteht  Fieber  oder  das  ein  oder andere Brustleiden.  
 Manche  Menschen  werden  schon  kran k ,  wenn  sie  den  Ruf  
 (hö)  des  Geistes  hören. 
 Nach  den  Mitteilungen wieder  andrer  Südniasser ist Nadaoja  
 nichts  anders  als  der  Schemen,  der  Geist  eines  verstorbenen  
 Tieres.  Geht  Nadaoja  auf die  Jagd,  so  spannt er sein Netz d .h .  
 den  Regenbogen  aus  um  darin  Menschen  zu  fangen.  Darum  
 wollen  die  Südniasser  ihre  Häuser  nicht  verlassen,  wenn  ein  
 Regenbogen  zu  sehen  ist,  da  sie fürchten in dem Netz gefangen  
 zu  werden. 
 1)  Chatelin,  L.  N.  H.  A.,  Godsdienst  en  bijgeloof der Niassers.  
 T.  I.  T.  L.  en  V.  K.  Band  XXVI. 
 2)  Sundermann,  H.,  Der  Kultus  der  Niasser.  Globus  1891.