gäbe für den bösen Geist, welcher die Ursache der Krankheit
ist. J)
Psychische Störungen selbst in der Form von Irrsinn sind
bei den Niassern nicht selten. Die Bewohner von Ost-Nias
(Lölöwua) glauben, dass Irrsinn (sowoho) den Menschen von
der Gottheit als Strafe für ihre Sünden auferlegt w ird ; andere
Niasser meinen, dass bei Irrsinn ein böser Geist in den Körper
gedrungen ist, der beghu harimo, der immer wieder gegen
das Herz des Unglücklichen stösst, was diesen derartig in
Angst versetzt, dass er irrsinnig wird. Wenn ein Irrsinniger für
seine Umgebung Lästig oder gefährlich ist, fesselt man ih n ,
indem man Hände und Füsse durch die Löcher eines schweren
Blockes steckt. Man versucht manchmal einen Irrsinnigen durch
plötzliches Erschrecken zu heilen; man schiesst z. B. dicht an
seinem Ohr ein Gewehr ab , weil man glaubt, dass der böse
Geist, der sich im Körper des Irrsinnigen auf hält, dadurch
entfliehen wird.
Auch nach dem Glauben der Nord-Niasser ist ein böser Geist
der Erreger des Irrsinns. Dieser beghu tut allerlei sonderbare
Dinge, wodurch derjenige, der es sieht, vor Schrecken und
Angst irrsinnig wird. Besonders im Schlaf erscheint er den
Menschen in allerlei schauerlichen Gestalten, über die sie nicht
selten derartig erschrecken, d a ss. sie irrsinnig erwachen. In
diesem Fall machen die Nord-Niasser zwei adu, deren Länge
man zwischen der Spitze des Daumen und des kleinen
Fingers ausmessen kann (ein djangka). Die beiden adu werden
über der Schlafstätte des Kranken aufgehangen, während der
Priester als Beschwörungsformel darüber ausspricht: „Mache
die Menschen nicht k ran k , mache sie nicht irrsinnig, mache
die Menschen gesund!”
Nach der Meinung der Dukuns van Stid-Nias soll Irrsinn
eine Folge der Tatsache sein, dass beim Wassertrinken
die Flüssigkeit anstatt in den Magen zu fliessen in den Kopf
steigt.
Thomas J) erzählt, bei einigen Niassern herrsche die Ueber-
zeugung, dass wenn Jemand auf der Saujagd zu viel wilde
Schweine getötet habe, viel mehr als die übrigen Jäger, die
bela ihn aus Erbitterung darüber wahnsinnig machen. Ist dies
geschehen, so muss den bela im Walde ein Opfer gebracht
werden, das darin besteht, dass man einweisses Hühnchen in der
Wildniss los lässt. Manchmal wird auch ein Opfer von besonderer
Art für einen Irrsinnigen gebracht; man bindet einem Schwein
die vier Pfoten zusammen, schiebt einen Stock dazwischen,
schaukelt das Tier so eine Zeitlang hin und her und schlachtet
es darauf als Opfergabe 2).
Dieselbe Methode wird angewendet, wenn ein Fieberkranker
im Delirium liegt; nachdem man das Schwein eine Weile hin
und her geschwungen hat, wird es dem Götzen fangola mbechu
geopfert.
Wir haben bereits mitgeteilt, wie der zum Priester Auserkorene,
der sich einige Tage in den Wäldern aufhält, durch
die beghu irrsinnig gemacht w ird , und wie erst durch die Hülfe
des Priesters der beghu dazu gebracht w ird , sein Opfer los zu
lassen.
Nach von Kosenberg 3) stehen die Irrsinnigen in Nias unter
Kuratel ihrer nächsten Verwandten, die auch für jeden durch
die Geisteskranken angerichteten Schaden verantwortlich sin d ;
andrerseits steht ihnen das Recht zu, sie in den Block zu schlies-
sen. Auf keinen Fall dürfen sie getötet, wohl aber lebenslang
gefesselt werden.
Mehrfach hörte ich, das Irrsinn nicht selten die Ursache
zum Selbstmord ist, der unter der niassischen Bevölkerung
ziemlich oft vorzukommen scheint. Bereits in älteren Beschreibungen
über Nias wird von Selbstmord berichtet. So
1) Thomas, J. W., De Jacht op het eiland Nias. T. Ind. T. L.
en V. K. Bd. XXVI.
2) Chatelin, L. N. H. A., Godsdienst en bijgeloof der Niassers.
T. I. T. L. en V. K. Bd. XXVI.
3) Nieuwenhuisen, J. F., en von Rosenberg, H. C. B., Verslag
omtrent het eiland Nias en deszelfs bewoners. Versl. van het Batav.
Gen. van Künsten en Wetenschappen. Bd. 30.