Ist die Frau bereits drei Monate schwanger, so kann die
du k u n auf diese Weise die Gravidität konstatieren.
Als weitere Symptome, die ihre Diagnose unterstützen, gelten
hier: das Anschwellen der Brüste, das Ausbleiben der Menstruation
, Abmagerung, das Gefühl der Schwere in den Beinen,
Klagen über W ä rm e , Schmerzen im Kopf und in allen Gliedern,
stärkere Pigmentation der Papillae und Areolae mammae und
Anschwellung des Bauches.
Nach der Meinung der Nordniasser sitzt der Fötus in utero
mit heraufgezogenen Knieen und zurückgebogenem Kopfe. Die
Arme sind gebogen, die zu Fäusten geballten Hände liegen
an der Seite des Kopfes. Auch hier glaubt m a n , dass erst die
Geburtshelferin beim Anfang der Geburt den Kopf des Fötus
nach unten kehrt.
Eine etwas abweichende Auffassung haben jedoch die Bewohner
van West-Nias (Lölöwau). Sie wissen bereits, dass der
Samen (ula) des Mannes durch die Testes geliefert wird. Die
Testikeln (badjili) dienen jedoch ausserdem zur Verzierung des
Penis. Frauen besitzen nach ihrer Meinung keinen Samen. Beim
Coitus kommt der Samen des Mannes in die Gebärmutter und
entwickelt sich da weiter zum Fötus.^
Als Erklärung für das Ausbleiben der Menstruation während
der Gravidität gilt die Annahme, dass der Fötus die Öffnung
der Gebärmutter abschliesst, sodass das Menstrualblut nicht
abfliessen kann.
Die Westniasser nehmen a n , dass der Fötus mit heraufgezogenen
Beinen in der tempat anak (Gebärmutter) sitzt, der Kopf ist
nach rechts gewendet, die Arme gegen die Brust und die Fäustchen
vor den Mund gedrückt. Erst wenn die Geburt anfängt, kehrt
die dukun den Kopf nach unten und die nates nach oben.
Der Fötus nährt sich von der Nahrung, welche die Mutter ge-
niesst. Die Speisen fallen in die Fäustchen des Fötus und w erden
von ihm aufgesogen.
Auch hier wusste man anzugeben, dass die Knaben in der
rechten , die Mädchen in der linken Seite des Bauches zur
Entwicklung kommen. Um das Geschlecht des Fötus zu bestimmen,
drückt die dukun auf den Nabel der Schwangeren;
bei einem Knaben wird der Nabel sich nach o b en , bei einem
Mädchen nach der Seite verschieben. Von der Bestimmung des Geschlechtes
und den Momenten, die sie beeinflussen, konnten sich
auch die Eingeborenen dieser Gegend keine Vorstellung machen.
Sowie in Siid-Nias Schwangerschaft konstatiert ist, muss
ein bestimmter adu, beele genannt, gemacht werden. Dieser adu
hat eine menschliche Gestalt und wird an der Schlafstätte aufgestellt.
Ferner schlachtet man ein Schwein, das durch die
Häupter (siulu) aufgegessen wird.
In Central-Nias macht man beim Beginn der Schwangerschaft
drei adu; über ihre Bedeutung konnte Kontrolleur Schröder
nichts erfahren. Sie werden nebeneinander gebunden; der eine
hat einen krummen Penis und wird der „ unartige ” genannt;
nur einer von den dreien ist ein weiblicher adu.
Die drei adu zusammen heissen tendro lulue; sie sind es,
welche „den Menschen machen — sombeuj n ih a ”.
Die Niasser glauben nicht, dass schwangere Frauen die
Fähigkeit besitzen durch ihren Blick andere Menschen krank
zu machen oder ihnen sonst zu schaden.
Es soll häufig Vorkommen, dass eine niassische Frau, wenn sie
schwanger geworden ist, Lust nach Ingredienzen verspürt, die
sonst wenig oder gar nicht nach ihrem Geschmack sind. Solche
Gelüste (mangeso) hält man für einen Beweis von Gravidität.
In Ost-Nias teilten mir die Eingeborenen mit, dass der Gatte
einer schwangeren Frau sein Möglichstes tun m u ss, um ih r die
gewünschten Ingredienzen zu besorgen. Denn erhält sie nicht,
was sie verlangt, wird sie erkranken und darunter wird natürlich
auch der Fötus leiden.
Auch bei Krankheiten sind die Eingeborenen darauf bedacht
einem Kranken so viel wie möglich die Speisen zu besorgen,
nach denen es ihn gelüstet.
Die Bewohner von Nord-Nias meinen ebenfalls, dass man
die Schwangerschaftsgelüste einer F ra u , so weit es möglich
is t, befriedigen muss. Sie glauben, dass was die Frau verlangt,
auch von dem Fötus gefordert wird; die Gelüste der Frau
sind also eigentlich die Gelüste der Frucht; unterlässt man sie
zu befriedigen, so wird es der Frucht schaden. Dieselbe