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 Stande  sind  die  Menschen  krank  zu  machen,  muss  noch  der  
 matianak,  der  Geist einer bei der Entbindung oder im Wochenbett  
 gestorbenen  F r a u ,  erwähnt  werden;  dieser  Geist  wird  in  
 einem  ändern  Kapitel  noch  näher  besprochen  werden. 
 Wenn  nun  nach  dem  Glauben  der  Niasser  die  Entstehung  
 von  Krankheiten  zum  grossen  Teil  dem  Einfluss böser Geister  
 und  anderer  übernatürlicher  Mächte,  deren  Existenz  und  
 Machtäusserung  auf  das  Innigste  mit  ihren  religiösen Vorstellungen  
 verbunden sin d , zugeschrieben werden muss, so können  
 wir  uns  nicht  wundern,  dass  bei  der  Bekämpfung  resp.  Verhütung  
 dieser  Krankheiten  die  ere,  die  niassischen  Priester,  
 eine  grosse  Rolle  spielen.  Die  A rt,  in der der Priester dabei zu  
 Werke  geht,  ist  nicht  in  allen  Teilen  der  Insel  dieselbe  und  
 hängt  ausserdem  auch  von  der  Ursache  der  Krankheit  ab. 
 Ausser  den  Priestern  giebt  es  auf  Nias  noch  die  Dukun,  
 welche  den  Kranken  helfen;  sie  kennen  die  Wirkunge  inzel-  
 ner  inländischer  Arzneimittel  einigermassen  oder  behandeln  
 die  Leidenden  mit  Massage.  Frauen  leisten  als  Hebammen  
 bei  Entbindungen  Hülfe.  Sowie  man  aber  überzeugt  
 ist —  und  dies  ist  fast  immer  der  Fall  dass  die  eine  oder  
 andere  höhere  Macht  mit  im  Spiele  ist  und  es  gilt  den  Einfluss  
 dieser  höheren Macht zu beschwören, so muss der Priester  
 um  Rat  gefragt  werden.  Man  erzählte  mir  in  Löwöwua  (Ost-  
 Nias),  dass  die  Priesterschaft  häufig  in  der  Familie bleibt und  
 vom  Vater  auf  den  Sohn  übergeht.  Dies  braucht  aber  nicht  
 immer  der  Fall  zu  sein.  In  der  Regel hat ein junger Mann von  
 ungefähr  zwanzig  Jahren das Recht als Priester aufzutreten. Die  
 Eingeborenen  gaben  mir  a n ,  dass die Lehrzeit für die Priesterschaft  
 n u r  acht  Tage  dauert,  darauf  giebt  der  junge  Priester  
 seinem Lehrmeister zur Belohnung ein Schwein, das augenblicklich  
 geschlachtet  wird;  man  richtet  mit  denselben  ein  Festmahl  
 a n ,  zu  dem  die  Kampongbewohner  eingeladen  werden. 
 In  Nord-Nias  geht  ebenfalls  die  Priesterwürde  in  der  Regel  
 vom  Vater  auf  den  Sohn  ü ber,  bei  Frauen  soll  es  jedoch  
 häufiger  Vorkommen,  dass  eine  F ra u ,  die  nicht  zur  Familie  
 gehört,  zur  Priesterin  gemacht  wird.  W e n n ,  so  erzählte  man 
 mir  in  Nord-Nias,  ein  junger Mann Priester werden w ill, muss  
 er  warten  bis  er  sich  krank  fü h lt; dann kommt ein Priester zu  
 ihm ,  der dem Jüngling unter Aussprechen von Zauber- und Beschwörungsformeln, 
   von Trommelschlägen begleitet, verspricht,  
 dass  er  ihn  in  allem,  was  ein  Priester  wissen  muss,  unterrichten  
 wird.  Ist  sein  Vater  selbst  Priester,  so  lernt  der junge  
 Mann  von  ihm  nur  die Zauber- und Beschwörungsformeln und  
 trommeln;  die  übrigen  Heilmethoden  lehrt  ihn  in  der  Regel  
 ein  anderer  P rie ster,  weil  der  Jüngling  sich  vor seinem Vater  
 schämt.  Er  begleitet  nun  häutig  seinen  Lehrmeister,  wenn  
 dieser  seine  Patienten besucht. Als Belohnung für seinen Unterricht  
 erhält  der  Lehrer  ungefähr  die  Summe  van  zwanzig  
 Gulden.  Dieses  Geld  muss  der junge  Mann  selbst,  nicht  der  
 Vater  bezahlen.  Der  Lehrer  bestimmt,  wann  seine  Lehrzeit  
 beendet  ist,  und  er  selbständig  als  Priester  auftreten  kann. 
 Bei  der  Behandlung  eines Patienten in Nord-Nias, erhält der  
 Priester  für  das  obat  (Heilmittel),  das  er  bereiten  muss,  
 einige  Kupfermünzen.  Wenn  er zum Besten des Kranken einen  
 adu  verfertigen  muss,  bekommt  er  in  der  Regel  noch  einen  
 Gulden  dazu.  Das  Geld  wird  aber  erst  bezahlt,  wenn  der  
 Patient  wieder  hergestellt  is t;  wird  der  Patient  nicht  wieder  
 gesund  oder stirbt e r , so empfängt der Priester keine Belohnung  
 für  seine  Dienste.  Von  armen  Kranken  erhält der Priester nur  
 etwas  Essen  als  Entgelt.  Ehe  der  Priester  oder  der  Dukun  
 dem  Patienten  ein  obat  reich t,  spricht  er  darüber den Spruch  
 aus  „h ilf  den  Kranken,  möge  er  bald  gesund  werden.”  Nach  
 der  Genesung  des  Patienten  werden  häufig  den  adu,  durch  
 deren  Hülfe  die  Krankheit  überwunden  ist,  Opfer  gebracht.  
 Man  schlachtet  ein  Huhn,  dessen  Federn  und  Herz  man  vor  
 dem  ad u ,  der  für  den  Kranken  gemacht  ist,  niederlegt;  das  
 Opfertier  selbst  wird  darauf  von  dem  .genesenen  Patient  und  
 dessen  Familie  verspeist. 
 Wenn  in  Lölöwua  (0.  Nias)  der  Priester  einen  Kranken  
 besucht  und  nichts  anders getan hat als howu-howu,  d. h  seine  
 Beschwörungsformeln  ausgesprochen,  erhält  er  nur eine Sirih-  
 prieme als Belohnung; hat er jedoch für den Patienten einen adu  
 verfertigt,  dann  bekommt  er  ein  Spanferkel  und  etwas  Geld.