
 
        
         
		rang,;  am  folgenden  Morgen  geht  er  zum  Fluss,  um auch die  
 Wassergeister  kennen  zu  lernen.  Am  Ufer  des  Flusses  wird  
 ein  Bananenstamm  aufgestellt,  der  einen  kranken  Menschen  
 vorstellen  m u ss,  und  in  den  Stamm werden kleine Reiskörner  
 gesteckt.  Der Priester sagt dann zu seinem zukünftigen Kollegen,  
 dass  der  Bananenstamm  ein  kranker  Mensch  sei,  und dass er  
 durch  Betrachten  und  Betasten  den  Sitz der Krankheit suchen  
 müsse.  Nachdem  er  ein  Weilchen  gesucht  h a t,  bezeichnet  
 der  junge  Mann  eine  Stelle,  an  welcher  der  beghu  gestochen  
 oder  geschlagen  haben  soll.  Wenn  nun  an dieser Stelle gerade  
 ein  Reiskorn  verborgen  ist,  so  wird  dies  unter  Jubel  herausgezogen; 
   man  ist  nun  überzeugt,  dass  der  junge  Mann  ein  
 guter  Priester  wird. 
 Auch  muss  der  Jüngling  noch  auf einen hohen Berg geführt  
 werden, um die Berggeister kennen zu lernen. Erst wenn er auch  
 diese  Geister  gesehen  und  ihnen  Opfer  dargebracht  h a t,  ist  
 der  Unterricht  beendigt.  Wenn  der  junge  Priester  von  dem  
 Berg  zurückkehrt,  darf  er jedoch  nicht  sogleich  in  sein eignes  
 Haus  gehen,  das  würde  ihm  Unglück  bringen;  die  beghu,  
 die  ihn  noch  umgeben,  würden  in  seinem  Hause bleiben und  
 seine  Angehörigen  und  Schweine  krank  machen.  Darum  besucht  
 er  erst  andere  Kampongs  und  bringt  dort  einige  Tage  
 und  Nächte  zu  in  der  Hoffnung,  dass  die  beghu  auf  andere  
 Menschen  übergehen  werden.  (Dies  ist  ein  deutlicher  Beweis  
 des  Egoismus  der  Niasser!)  Wenn  er  nun  endlich  in  seine  
 Wohnung  zurückkehrt,  geht  er  zuvor  unter einem Bäumchen  
 durch,  dessen  Stamm  er  gespalten  hat  in  der  Überzeugung,  
 dass,  sollte  der  ein  oder  andere  beghu  ihm  doch noch gefolgt  
 sein,  derselbe  in  dem  Bäumchen  sitzen  bleiben  wird.  *) 
 a)  Das  Hindurchgehen unter einem gebogenen Zweig mit analoger  
 Bedeutung  findet  man  auch bei anderen Völkerstämmen; die Neger  
 am  Nyassasee  kriechen  z.  Bsp.  in  Krankheitsfällen  unter  einem  
 an  beiden  Enden  in  die  Erde  gesteckten  Zweig  durch.  Bei  den  
 Dörfern  der  Makra  sah  Livingstone  häufig  derartige  gebogene  
 Zweige,  deren  Enden  in  der  Erde  steckten,  unter  denen  man  in  
 Krankheitsfällen  oder  um  böse  Geister  von  sich abzuwehren, hindurch  
 kroch.  Auch  in  Europa  sind  oder waren  dergleichen  Ge- 
 Wir  müssen  nun  noch  näher untersuchen, in welcher Weise  
 die Priester in Krankheitsfällen auftreten , wie sie Kranke wieder  
 gesund  zu  machen  suchen  und welche Massregeln sie ergreifen  
 um  Krankheiten  zu  verhüten.  Dies  wird je   nach der Meinung,  
 welche  sie  von  der  Ursache  der  Krankheit  haben verschieden  
 sein. 
 Am  häufigsten  ist  die  Krankheitsursache,  so  teilte man mir  
 in  Lölöwua  (Ost-Nias)  m it,  darin  zu  suchen,  dass  der ein oder  
 andere  böse  Geist  die  lume-lume  des  Menschen  fortnimmt.  
 Der  beghu  kann  mit  der  lume-lume  der  Menschen  allerlei  
 Unfug  treiben,  was  sich  im  Tun  und  Treiben  des  Patienten  
 offenbart.  Im  schlimmsten  Fall  wird  der  böse  Geist die lume-  
 lume  aufessen  und  dann  muss  der  Patient  sterben.  Andere  
 Niasser  glauben  jedoch,  dass  die  beghu  nicht  selbst die lume-  
 lume  der  Menschen  aufessen,  sondern  sie  an  Lature abtreten.  
 Um  dem  Leidenden  den  geraubten  Schattengeist wiederzuverschaffen  
 ,  macht  der  Priester  zunächst einen adu von menawa-  
 Holz,  den  er  dicht  neben  die  Essschüssel  des  Patienten’stellt.  
 Dann  fängt  er  an  zu  trommeln  und  sagt seine  Beschwörungsformeln  
 h e r ,  in  denen  er  den  bösen  Geist beschwört die Seele 
 bräuche  in  Schwang;  so  z.  Bsp.  jn   Skandinavien,  wo  man  ein  
 Kind,  das  durch  den  bösen  Blick  einer  schlechten  Frau  getroffen  
 ist,  ganz  nackt  durch  eine  Heugabel  zieht. 
 Nach  Hofschlaeger  (R.  Hofschlaeger:  Über  den  Ursprung  der  
 Heilmethoden.  Naturwissenschaftlicher  Verein  zu  Krefeld.  Festschrift, 
   Krefeld  1908)  ist  dies  ein  elementarer  Volksgebrauch,  der  
 in  der  bei  den  Tieren  vorkommenden  Gewohnheit  wurzelt, durch  
 mechanisches  Scheuern  an  rauhen  Flächen  das  Gefühl  des  Unbehagens, 
   das  durch  einen  Hautreiz  hervorgerufen  wird,  los  zu  
 werden.  „Ursprünglich  eine  primitive  Heilform  mit  dem  realen  
 Zwecke  des  Abstreifens  lästiger  Parasiten  wurde  der  Brauch  des  
 Hindurchkriechens  erst  auf  der  Kulturstufe  des  Seelenglaubens  
 mit  dem  Kultus  in  Beziehung  gebracht.  Da  aber  die  Ursprungsbedeutung  
 mit  fortschreitender  Kultur  im  Gedächtnis  der  Völker  
 vollkommen  verloren  ging, erhielt die Heilmethode die symbolische  
 Bedeutung  einer  mit  Hülfe  des  Baumgeistes  sich  vollziehenden  
 „Wiedergeburt” oder eines symbolischen Abstreifens der Krankheit.”