Albert Kruyt x) nennt von Rosenberg’s Mitteilungen verworren
; nicht die Köpfe der geopferten Sklaven werden begraben
und später wieder aufgegraben, sondern die Köpfe der Verstorbenen,
für welche man sie geopfert hat. Nach Kruijt wird für
einen Toten gewöhnlich n u r ein Kopf abgeschlagen, für sehr
angesehene Häuptlinge müssen es mehrere sein. Ein solcher
Kopf wird niemals in das Haus gebracht, er wird draussen
an einem der Tragbalken des Hauses aufgehangen, wobei dem
Götzenbild des Verstorbenen mitgeteilt wird, dass zu seiner
Ehre eine Enthauptung stattgefunden hat.
Manchmal fängt man einen Menschen lebend e in , oder man
kauft jem a n d ; er wird dann an das Grab gebracht und w ährend
man seinen Kopf auf die Erde drückt, ruft man: „Hier ist
jemand, der wird deine Knochen abnagen.” Einige Monate
später muss er dann die Gebeine des Toten ausgraben und
wird bei diesem Anlass selbst getötet. Ein Teil der Haare dieses
Opfers wird an dem Götzenbild im Hause aufgehängt. Von
einer Enthauptung zum Schein hat Kruijt auf Nias niemals
gehört.
Was ist nun die ursprüngliche Bedeutung des „Koppensnellen”
in Nias? Tapferkeit wahrscheinlich nicht, dagegen sprechen verschiedene
Tatsachen; erstens trachten die Niasser in der Regel
ihre Opfer durch Meuchelmord zu tö ten , — die Gelegenheit
ihre Tapferkeit zu zeigen ist also gering, — dann wird das
Kopfabschlagen häufig einer bestimmten Kategorie von Menschen,
die für ihre Dienste bezahlt werden, aufgetragen. Bis
vor Kurzem gab es in Nias noch Kopfabschläger von Beruf,
die die nötigen Köpfe besorgten und teuer verkauften. Diese
„Koppensnellers” hatten ihre eigene Gottheit, die sie beschützte.
Sie errichteten ih r ein Götzenbild, dem sie, bevor sie zum
Morden auszogen, Opfer brachten und das sie um Hülfe
anriefen. Nach dem erfolgreichen Zuge befestigten sie als Dankopfer
einige Haare der abgeschlagenen Köpfe an diesem für
bela zama’i errichteten Götzenbild. Konnte man Sklaven lebend
1) Kruijt, Alb. C., Het animisme in den Indischen Archipel.
’s-Gravenhage 1906.
ERSTES KAPITEL 29
erbeuten und mitschleppen, so wurde ihnen ein Stück vom
Ohr abgeschnitten und mit dem herausströmenden Blut das
Götzenbild bestrichen. Leute mit derart verstümmelten Ohren
habe ich selber auf Nias noch angetroffen.
Im ethnographischen Museum in Leiden befinden sich zwei
Götzenbildchen, die nach Angabe des Einsenders adu der „Kop-
pensneller” vorstellen.. Das eine ist von rotbraunem (manäwa
dane) Holz gemacht, es trägt den Namen adju lawule höre;
das andere ist aus gelbem Holz. Beide sind lang und schmal,
in stehender Haltung, ohne Arme
mit gespreizten Beinen. Augen,
Nase und Mund sind deutlich wiedergegeben
, sie haben lange eingekerbte
Ohren. Das gelbe Bildchen
hat- einen kleinen flachen
Kinnhart und zeigt männliche
Geschlechtsteile.
Ferner verhindert uns die Tatsache,
dass manchmal eigne Sklaven,
die sich durchaus nicht wehren
können, getötet werden, Tapferkeit
für die Triebfeder des
„Koppensnellers” zu h a lten ; es ist
jedoch möglich, dass das Töten
von Sklaven erst später gebräuchlich
geworden ist, weil es schwieriger
wurde, die nötige Anzahl
Köpfe zu erhalten.
Nach Kramer ') soll der heid- Adu der „Koppensnellers” .
nische Aberglaube, dass der Besitz
eines erbeuteten Kopfes dem Besitzer Gesundheit, Ehre
und Reichtum sichert, wahrscheinlich der ursprüngliche Anlass
zum Kopfabschlagen gewesen sein. Auf welche Art ein
solcher Kopf dazu befähigt ist, wird jedoch nicht von ihm
angegeben. Nach Albert Kruijt’s Gedankengang soll ein solcher
1) Kramer, Fr., Ber. Rhein. Miss. Ges. 1894.