
 
        
         
		dauerten  die  Auseinandersetzungen,  keiner  wollte nachgeben.  
 Da  wurde  dem  Herzen  der  Wortwechsel  langweilig  und  es  
 sprach  folgendermassen  zu  den  übrigen T e i l e n D u  Auge und  
 Nase,  Du  Ohr,  Mund  und  Hand,  von  den  Füssen  ganz  zu  
 schweigen,  Ihr  alle  hört  z u , ich will Euch die Wahrheit sagen.  
 Alles  was  Ih r  behauptet,  ist  falsch.  Ich  bin der erste und nach  
 mir  kommen  die  Fiisse.  Bin  ich  doch  die  Ursache und durch  
 mich  werdet  Ih r  alle  in  Bewegung gesetzt. Erst wenn ich mich  
 in  Bewegung  gesetzt  habe,  folgen  die  ändern  Teile.  Wenn  
 also  nach  mir  die  Fiisse  zum  Gehen  gekommen  sind  und die  
 Hand  die  Nahrung  aufgenommen  h a t,  dann  erst  kann  der  
 Mund  die  Nahrung  essen.” 
 Noch  eine  andere  Legende  beweist  die  Bedeutung  des Herzens  
 x):  Vor  langen  Zeiten  wohnte  im  nördlichen  Teil  von  
 Nias  ein  Mann,  namens Gözö, der einen Sohn hatte mit Namen  
 Heia  heia  ndrawa.  Dieser  Sohn  heiratete  sieben  Frauen.  Als  
 Gözö  gestorben  war,  sprach  sein  Herz  zu seinem S o h n :  Hole  
 m ich ”.  Dieser  antwortete  jedoch,  er  wisse  nicht,  wie  er  das  
 anfangen  solle,  denn  er  könne  das  Herz  nicht  erreichen.  E r  
 schnitt  mit  einem  Messer  über  die  Brust  seines  Vaters,  aber  
 das  Messer  drang  nicht  in’s  Fleisch.  Darauf  nahm  er  eine  
 Flasche  und  drückte  sie  auf  die  Brust  seines Vaters und siehe  
 d a ,  die  Brust  öffnete  s ic h !  Heia  nahm  das  Herz  h e rau s,  tat  
 es  in  die  Flasche  und  stellte  sie  auf  einen  Balken  in  seinem  
 Hause.  Von  da  an  sprach das Herz anhaltend mit den Kindern  
 zu  den  Schwiegertöchtern  sagte  es,  sie  müssten  fleissig  und  
 tüchtig  sein.  Nur  die  jüngste  unter  den  Frauen  wagte  es dem  
 Herzen  zu  widersprechen  und  es  zu  verhöhnen.  Einmal  als  
 ih r  Mann  ausgegangen  war  und  sie  auf  das Herz erzürnt war,,  
 weil  es  sie  fortwährend  zum  Arbeiten,e rmahnte,  sprach  sie:  
 „ich  will  das  Herz  in  das  Wasser  werfen.”  Sie  tat es wirklich  
 und  als  ih r  Mann  zurückkehrte,  war  er  sehr  verwundert, das  
 Herz  nicht  an  seinem  gewohnten  Platz  zu finden und von ihm  
 nicht  willkommen  geheissen  zu werden. Er fragte seine Frauen, 
 1)  Sundermann,  H.,  Das  redende  Herz. Niassische Erzählungen .  
 T.  I.  T.  L.  en  V.  K.  Band  XXXI. 
 wie  das  zugegangen  sei,  aber  sie  wagten  nicht  es  ihm  zu  erzählen  
 und  sagten,  wahrscheinlich  habe  eine  Batte  das  Herz  
 aufgefressen.  Heia  suchte  nun  überall  nach dein Herzen seines  
 Vaters.  Endlich  fand  er  auf  dem  Fluss  eine S p u r; er verfolgte  
 dieselbe  und  kam  endlich  bis  in ’s  Meer.  Mit  seinem  Schiffe  
 folgte  er  der  Spur  immer  weiter,  bis  er  in  Sumatra  landete.  
 Da  hatte  Tocha  das  Herz  gefunden  und in Stücke geschnitten.  
 Aus  diesen  Stücken  sollen,  wie  man  erzählt, später Uhrwerke  
 gemacht  worden  sein.  Daher kommt es, dass man auf Sumatra  
 viele  Uhrwerke  findet,  während  sie  auf  Nias  fehlen. 
 Es  gelang  Heia  jedoch  ein  kleines  Stück vom Herzen seines  
 Vaters  zu  bekommen,  das  er  in  ein  Stück  Papier  wickelte.  
 Lange  Zeit  blieb  er  noch  unterwegs,  bis  er schliesslich in sein  
 Vaterland zurückkehrte und seinen Landsleuten das Geschehene  
 erzählte  >). 
 Die  Erzählung  hat  grosse  Aehnlichkeit  mit  dervonT uwada  
 Loja,  welche  wir  Später  noch  kennen  lernen  werden,  in  der  
 auch  das  Herz  nach  dem  Tode  von  Tuwada  Loja  am  Leben  
 bleibt  und  zu  den  hindern  spricht. 
 Wir  wollen  nun  zu  den  Ansichten  der  Nordniasser  über  
 die  Entwicklung  der  Frucht  zurückkehren;  auch  diese Eingeborenen  
 sind  der  Meinung,  dass  der  Fötus  sich  von  dem  
 Menstrualblut,  das  im  Uterus  zurückgeblieben  is t,  ernährt. 
 Sie  glauben,  dass die Knaben in der rechten O  / und die Mädchen 
 in  der  linken  Bauchhälfte  geformt  werden.  Nach  dem  grösseren  
 oder  geringeren  Umfang  der  Bauchhälften  kann  man  
 also  das  Geschlecht des Fötus bestimmen, auch fragt die dukun  
 in  Bezug  darauf  die  Schwangere,  an  welcher  Seite  sie  die  
 Bewegung  des  Kindes  fühlt.  Wenn  in  Nord-Nias  eine  Frau  
 schwanger  zu  sein  glaubt,  lässt  sie  sich  ihre  Diagnose  durch  
 eine  Geburtshelferin  bestätigen.  Diese  untersucht  dann  den  
 Bauch ,  wobei  sie  die beiden Hände zu beiden Seiten des Leibes  
 von  hinten  nach  vorne  stets  drückend  bewegt.