legen aus Furcht, die Hunde könnten sie in den Kampong
zurückbringen, ebenso wenig will man sie in den Fluss werfen,
weil man dann beim Baden mit ihnen in Berührung kommen
könnte. Heute sind diese Grausamkeiten durch unsre Begierung
verboten und auch die Mission tritt kräftig dagegen auf.
Das Haus, in dem Zwillinge geboren worden s in d , wird von
ändern Frauen gemieden, weil sie fürchten ihnen könnte das
gleiche passieren.
Man glaubt hier, dass Zwillingschwangerschaft eine Folge der
Tatsache ist, dass die Frau sehr grob oder zornig zu ihren
Eltern oder ihrer Schwester gewesen ist. Auch der Genuss von
Zwillingsfrüchten soll Zwillingsgravidität zur Folge haben können,
sie kann aber auch entstehen, wenn die Frau während
der Schwangerschaft noch cohabitiert.
In Nord-Nias (Lahewa) fürchtet man die Geburt von Zwillingen,
weil man glaubt, dass andere Familienmitglieder
sterben müssen, wenn die Zwillinge am Leben bleiben. Es ist
also Notwehr, wenn man Zwillinge aus dem Wege räumt. Ferner
gilt die Geburt von Zwillingen als ein Vorzeichen von allerlei
Unheil für den ganzen Kampong, wie Missernte, Bran d , Epidemien
, Viehkrankheiten etc.
Missionar Fehr x) erzählt von einem jungen niassischen Ehepaar,
das zweimal hintereinander Zwillinge bekam. Das zweite
Mal waren die Kamponggenossen nicht damit zufrieden gestellt,
dass beide Kinder getötet wu rd en , sie forderten von dem Ehemann,
dass auch noch ein Erwachsener geopfert werde, um
die bösen Geister zu befriedigen und die Schande von seinem
Hause abzuwenden. Der Unglückliche kaufte darauf einen
Sklaven und tötete ihn mit eigner Hand am Flusse in der Nähe
des Dorfes.
Nach Modigliani 2) glauben die Niasser, dass Zwillinge nicht
gleichzeitig gezeugt sin d , sondern halten sie für Produkte einer
Superfötation und zwar in der Kegel von einem bösen Geist
1) Fehr, A., Der Niasser im Leben und Sterben. Rhein. Missions-
schr. No. 115. Barmen, 1901.
2) Modigliani, E., Un viaggio a Nias. Milano, 1890.
hervorgerufen. Der Vater, welcher einen seiner Zwillinge ermordet
hat, muss dem adu horo Opfer bringen.
Auch die Geburt eines Albino wird häufig der Cohabi-
tation einer Frau mit einem bösen Geist zugeschrieben.
Es kommt auf Nias manchmal vor, schreibt Modigliani, dass
eine unverheiratete Frau verführt wird. Um der Strafe zu entgehn
giebt sie vor, ein böser Geist habe die Schwangerschaft
verursacht. Man wartet dann auf die Niederkunft; bringt sie
einen Albino zur W e lt, so hält m an ihre Aussage für Wahrheit.
Es geschieht ihr dann kein Leid, n u r das Kind wird getötet,
wenn es niemand aufnehmen will. Wird aber ein normales
Kind geboren, so muss die unglückliche Mutter bestraft werden.
Wenn eine verheiratete Frau einen Albino zur Welt bringt,
hält man ebenfalls einen Geist, einen b e la , für den Erzeuger;
ein Albino wird deshalb auch wohl onombela, d. h. Kind
eines bela genannt. Der Geist kann die Gestalt des Gatten annehmen
und so die Frau betrügen. Da Albinos dem Kampong
Unglück bringen sollen, so werden sie in der Regel getötet.
Nach Rappard x) soll man auf Nias keine erwachsenen Albinos
antreffen. Das ist jedoch unrichtig, denn ich selbst habe sowohl
in Ost- wie in Nord-Nias erwachsene Albinos gesehen. Eine
Mitteilung Von Rosenbergs 2) bestätigt meine Aussage. E r erzählt
, dass ein Albino sich so gut wie ein anderer Mann eine
Frau erwerben k a n n , wenn er n u r den geforderten Brautpreis
b ezahlt, der aber für ihn ein weit höherer ist als der gewöhnliche.
Will ein Mann, der an einer Hautkrankheit leidet sich
ein Mädchen kaufen, ergeht es ihm ebenso; das Mädchen
dagegen , das mit einer Hautkrankheit behaftet ist, kann man
für einen geringeren Preis haben. Beispiele, dass ein weiblicher
Albino zur Frau begehrt wurde, sollen nach Von Rosenberg
auf Nias nicht bekannt sein. Ich selbst hörte jedoch, dass in
Gunung-Sitoli eine weibliche verheiratete Albino lebt, die
1) Rappard, Th. C., Het eiland Nias en zijne bewoners. Bijdragen
tot de T. L. en V. K. Deel LXII. 1909.
2) Nieuwenhuisen en von Rosenberg, Verslag omtrent het eiland
Nias en deszelfs bewoners. Verh. van het Bat. Gen. Deel 31.