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 etwas  anderer Weise  vor  sich.  Man  nimmt  zu diesem Zwecke  
 den  Kern  einer  buwa  zaku  (rumbia-Frucht).  Aus diesem Kern  
 schneidet  man  eine  Scheibe  und  entfernt  den  mittleren  Teil  
 derselben,  sodass  n u r  ein  geschlossener  Ring  übrig  bleibt. An  
 einer  Stelle  wird  nun  aus  diesem  Ring  ein Stückchen herausgenommen  
 und  das  Ohrläppchen in die so entstandene Öffnung  
 des  Ringes  eingeklemmt.  Durch die Spannkraft des Ringes wird  
 das  Ohrläppchen  allmählich  durchbohrt,  in  der  Regel  sind  
 dazu ungefähr zehn Tage nötig. Dann steckt man die Blattnerven  
 eines  Kokospalmblattes  durch  die  Öffnung  des  Ohrläppchens  
 und  am  folgenden  Tag  wieder  einige,  bis  man  es  auf fünf gebracht  
 hat.  Diese  fünf  lidi  lässt  man  zehn  Tage  an  ihrer  
 Stelle,  darauf  verdoppelt  man  ihre  Zahl  und  wieder  nach  
 zwei  Tagen werden fünfzehn hineingesteckt, bis man es schliesslich  
 auf  zwanzig  bringt.  Bei  der  Entfernung  der  Blattnerven  
 reinigt  man jedesmal  das  Ohrläppchen  mit  warmem  Wasser.  
 Wenn  die  zwanzig  lidi einige Tage in dem Loch gesteckt h ab en ,  
 werden  sie  entfernt,  und  es  kommt  an  ihre  Stelle  ein aufgerolltes  
 Kokospalmblatt,  welches  das  Loch  allmählich  noch  
 mehr  vergrössert.  In  Nord-Nias  findet  das  Durchbohren  der  
 Ohrläppchen  bei den Kindern etwas später, gewöhnlich im Alter  
 von  sechs  Jahren  statt. 
 Etwas  früher  wird  die  Operation in Süd-Nias vorgenommen.  
 Auch hier werden beiden Mädchen beide Ohren, beiden Knaben  
 n u r  das  rechte  Ohrläppchen durchbohrt. Man geht auf folgende  
 Weise  zu  Werke:  Hinter  das Ohrläppchen hält man ein Stückchen  
 Fleisch  der  Kokosnuss,  damit  der  scharfe  Stachel  des  
 Stachelschweines,  mit  dem  man  das Ohrläppchen durchbohrt,  
 nicht  in  den Kopf des Kindes dringen kann. Darauf schiebt man  
 durch  das  Loch  ein  dünnes bleiernes Stäbchen, welches durch  
 seine Schwere die Öffnung allmählich erweitert. Nach vier Tagen  
 entfernt man das Stäbchen  und befeuchtet das Ohrläppchen mit  
 Wasser,  um  es  weicher  zu  machen.  Dann  wird  ein  Röllchen  
 kulit  kaju  in  die  Öffnung gesteckt, dies bleibt sechs Tage d a rin ,  
 worauf  an  seine  Stelle  ein  mit  einem  Kokospalmblatt  umwickeltes  
 Stückchen  Mark  der  Sagopalme  tritt, dessen äussere 
 Fläche  mit  kunjit  (kurkuma)  bestrichen  ist.  Die  kunjit  dient  
 als  obat  und  befördert  die schnelle Genesung der Wunde. Acht  
 Tage  lang  bleibt  diese Rolle in dem Ohrläppchen, darauf steckt  
 man  ein  bleiernes  Stäbchen  durch  das  L o ch ,  welches die Öffnung  
 allmählich  vergrössert. 
 In  West-Nias  (Lölöwau)  werden  den  Kindern schon wenn sie  
 erst  zwei  Monate  aff  sind,  die Ohrläppchen von der Mutter mit  
 einem  scharf  zugespitzten  Hölzchen  der  Aren-Palme  (Arenga  
 saccharifera)  durchbohrt.  Durch  ein  Stückchen  ubi (dioscorea  
 alata),  das  man  zwischen  Ohr  und  Kopf  hält,  verhütet  man 
 eine  Verletzung  des  Kopfes.  Ist  
 die  Öffnung  gemacht,  so  zieht  
 man  ein  Streifchen  blaues  Tuch  
 hindurch  und  lässt  es  acht Tage  
 d a rin ,  darauf tritt  an seine Stelle  
 ein  Bleistäbchen,  durch  dessen  
 Schwere  die  Öffnung  so  weit  
 vergrössert wird, dass zum Schluss  
 der  Ohrring  oder  die Ohrscheibe  
 hineingeschoben  werden  kann. 
 Die  Operation findet am zwölften  
 Tag  des  Mondmonates  statt;  
 dann  ist  der  Mond  ungefähr am  
 grössesten  und  darum  glaubt  
 m a n , dass dann auch das Loch in  
 dem  Ohrläppchen  sehr  gross  
 wird.  Ein kanduri wird bei dieser  
 Gelegenheit  nicht  gefeiert. 
 Nach  Rappard  sollen  auf 
 Junger Mann  aus  Süd-Nias.  d i e s e   W e i s e   d i e   Ohrläppchen bei 
 den Niassern nicht selten bis auf die Schultern ausgereckt werden;  
 ich  selber  habe  jedoch  dergleichen  nicht  gesehen,  wohl  wie  
 bereits  gesagt,  viele  ausgerissene  Ohrläppchen. 
 Auch  bei  Marsden  (History  of  Sumatra,  1811)  findet  man 
 1)  Rappard,  Th.  E.,  Het  eiland Nias en zijnebewoners. Bijdragen  
 tot  de  T.  L.  en  V.  K.  van  N.  Indie.  Deel  LXII.  1909.