vorzunehmen, denn die an der Küste wohnenden Malaien
haben mich mehrfach bei der Bevölkerung von Nias durch
die Behauptung, dass meiner Untersuchung unehrbare Absichten
zu Grunde lägen, zu verdächtigen gesucht; um gegen jeden
derartigen Verdacht völlig gesichert zu sein, entschloss ich
mich, von jeder Untersuchung bei Frauen abzusehen.
Im Ganzen wurden bei 1298 Männern ausführliche und
genaue Körpermessungen vorgenommen; ausserdem fand ich
Gelegenheit von 64 Niassern aus verschiedenen Teilen der
Insel Gipsabgüsse des Gesichtes zu n ehm en ; die Abbildungen
und Beschreibungen dieser Gesichtsmasken werden dem zweiten
Teil dieses Werkes beigegeben.
Von allen gemessenen Individuen wurden Fingerabdrücke
und von einigen auch Fussabdriicke gemacht. Die Pulsfrequenz
bei den Eingeborenen ist stehend bestimmt, ferner konnte nach
der Methode von Landolt bei 335 Niassern die Sehschärfe
festgestellt werden. Bei allen von mir gemessenen Individuen
habe ich mit dem Dynamometer von Collin die Handkraft
gemessen. Nicht ohne Mühe gelang es uns von einigen Niassern
eine Haarlocke zu erhalten. Diese Haarproben wurden Prof.
Eugen Fischer nach Wiirzburg geschickt und unter seiner
Leitung von Dr. Ernst Scheffelt untersucht und beschrieben.
Auch konnte ich noch etwa zehn Schädel und einige unvollständige
menschliche Skelette von Nias mit nach Hause
bringen; ich habe dieselben dem antropologischen Laboratorium
von Prof. Bolk in Amsterdam überlassen.
Dr. Juijnboll, der Direktor des ethnographischen Museums
in Leiden hatte die Güte mir die im Museum befindlichen niassi-
schen Schädel, seinerzeit ein Geschenk des Kontrolleurs Engelbert
Schröder, für Bearbeitung zur Verfügung zu stellen, ebenso hat
er für mich Photographien von einigen niassischen ethnographischen
Gegenständen desselben Museums verfertigen lassen.
Nach meiner Rückkehr von Nias nach Batavia würde
mir erlaubt in dem Gefängnis Glodok noch eine Anzahl
Gesichtsabgüsse von Gefangenen aus verschiedenen Teilen
unsrer ostindischen Besitzungen zu machen. Unter diesen 65
Masken befinden sich Abgüsse von Dajaks, Bataks, Buginesen,
Balinesen, Sassaks, Javanen, Sundanesen, Mentawaien, Malaien,
Papuas und von Eingeborenen von Flores, Sumba, Timor
und Sumbawa 4).
Soviel im Bezug auf unsre anthropologischen Resultate.
Ausserdem habe ich in Nias auf medico-ethnologischem
Gebiet Erkundigungen eingezogen um in Erfahrung zu bringen,
welche Krankheiten bei den Eingeborenen Vorkommen, wie
die Eingeborenen über die Art und Ursache dieser Krankheiten
denken und welche Massregeln sie nehmen, um dieselben
zu bekämpfen resp. zu verhüten.
Schliesslich wurden botanische, zoologische und ethnographische
Sammlungen angelegt, welche verschiedenen Sachverständigen
in Holland zur Bearbeitung überlassen wurden.
Die Direktion des botanischen Gartens in Buitenzorg
gab uns einen mit dem Sammeln und Präparieren von zoologischem
Material vertrauten einheimischen Unterbeamten auf
die Reise mit.
Es ist leicht begreiflich, dass bei einer Bevölkerung, welche
wie die in Nias, noch auf ziemlich niedriger Entwicklungsstufe
steht, besonders anthropologische Untersuchungen mit
Schwierigkeiten verbunden sind. Die einfachen Eingeborenen
verstehen natürlich die Bedeutung und den Zweck solcher
Untersuchungen überhaupt nicht. Zwar waren die örtlichen
Behörden, sowie die Missionare bestrebt, sie mit dem Zweck
meiner Untersuchungen bekannt zu machen, aber es gelang
n ur notdürftig und half wenig. In Gunung Sitoli, dem Hauptort
der In se l, kamen die Christen-Niasser zu den Missionaren
um sich zu erkundigen, ob sie, wenn sie sich messen liessen,
verdammt sein würden. Andere verspürten wenig Lust sich
messen zu lassen, weil sie nicht auf eine Stufe mit den
Schweinen gestellt sein wollten, deren Wert bei den Niassern
von dem Körpermasse a b h ä n g t2).
1) Prof. A. J. P. van den Broek. Gezichtsmaskers, genomen door
Dr. J. P. Kleiweg de Zwsfan, Tijdschr. v. het Kon. Nederl. Aardr.
Genootschap, Tweede Serie, deel XXIX, 1912, n°. 2.
2) Das Messen der Schweine wird bei den Niassern fanoe’a
bawi genannt.