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 weil  nach  ihrer Meinung  n u r  denjenigen, die männliche Nachkommen  
 haben,  ein  Fortbestehen  nach  dem  Tode  zuerkannt  
 wird.  Leute,  die  keine  Söhne  gehabt  haben,  sind  im  Jenseits  
 banua  furie  d.  h.  arm.  Ausserdem  wollen  sie  gerne  Söhne  
 haben,  weil  diese  ihrem  Vater  bei  der  Arbeit  helfen  können,  
 und  da  Frauen  und Mädchen von der Erbschaft ausgeschlossen  
 sind  sie  ih r  Vermögen  nach  dem  Tode  nicht  fernerstehenden  
 Angehörigen  zu  hinterlassen  brauchen. 
 Auch  Lagemann  2)  teilt  mit,  dass  der  Vater  lieber  Söhne  
 als  Töchter  hat.  Seine  Unzufriedenheit  über  die  Geburt  eines  
 Mädchens  äussert  sich häufig in dem Namen, den er dem Kinde  
 giebt,  z.  B.  löguna,  d.  h.  unnütz;  hadia  d.  h  was  ist das nun  
 oder  was  habe  ich  d aran,  lö-ami  das schmeckt nicht. Um den  
 unglücklichen  Vater  zu  trösten,  sagen  die  Nachbarn  zu  ihm :  
 „ f   ofonai  ’ö  ihou  gane ba danö,” d. h. das Kind wird Dir später  
 arbeiten  helfen.  Darum  giebt  der  Vater  ihm  auch  wohl  den  
 Namen  halowo  =   Arbeit; oder er nennt es nach einem Lebensmittel  
 z.  B.  höwa  (Spinat)  mit  dem  Wunsche,  dass  es  fleissig  
 sein  wird  bei  der  Zubereitung  der  Speisen,  auch  sinali  oder  
 sinasa  (Schnur,  Flechtwerk)  in  der  Hoffnung,  dass  es  später  
 viel  Handarbeit  verrichten  wird  s). 
 Die  Vorliebe  für  Knaben  spricht  sich  auch  in  der Sitte aus.  
 dass  die verheiratete junge F r a u , die zum erstenmal die eheliche  
 Wohnung  betritt,  vor  die  adu  zatua  gestellt w ird , worauf man  
 ihr  einen  kleinen  Knaben  über  den  Schoss  hält  und  das  
 Kamponghaupt  dazu  spricht:  „Möge  sie  Knaben  bekommen,  
 möge  sie  Söhne  hervorbringen,  tausend  die  im  Felde  leben,  
 tausend  die  im  Dorfe  wohnen.” 
 Bei  den  Bataks  findet  man  einen analogen Gebrauch. Wenn  
 eine  verheiratete  Frau  kinderlos  bleibt, macht man eine Puppe 
 1)  Chatelin,  L.  N.  H.  A.,  Godsdienst  en  bijgeloof  der  Niassers.  
 T.  Ind.  T.  L.  en  V.  K.  Deel  XXVI. 
 2)  Lagemann,  H.,  Das  niassische Mädchen  von seiner Geburt bis  
 zu  seiner  Verheiratung.  Tijdschr.  Ind.  T.  L.  en V. K. Deel XXXVI. 
 3)  Lett,  Aug.,  Im  Dienst  des  Evangeliums  auf  der W. Küste von  
 Nias.  Missionstraktat,  Barmen,  1901. 
 aus  Holz,  die  ein  Kind  vorstellen  soll  und setzt sie ih r auf den  
 Schoss;  man  glaubt,  dass  sie dann bald Mutter werden wird  1). 
 Wenn  in  Nord-Nias  die  junge  Frau  zum  erstenmal  die  
 Wohnung  ihres  Gatten  betritt, darf sie sich nicht an der Treppe  
 festhalten,  sondern  wird  hinein  getragen.  Gleich  nach  ihrem  
 Eintritt  in  die  Wohnung  sucht  sie  eine  männliche  Kippe  des  
 Daches zu ergreifen, um männliche Nachkommen zu bekommen. 
 Dass  jedoch  niassische  Eltern  auch  ihre  Töchter lieb haben  
 beweist  die  folgende  Geschichte:  2) 
 Eine  Frau,  namens  B u ru ti,  hatte  zwei  Töchterchen.  Eines  
 Tages  ging  sie  aus  und  liess ihre Kinder zu Hause. Da sie lange  
 fort  blieb,  fingen  die  Kinder  an zu weinen. Das hörte ein böser  
 Geist,  in  der  Gestalt  einer  Frau  trat  er  zu  ihnen  und  fragte  
 sie,  warum  sie  so  traurig  seien.  Nachdem  sie ihm die Ursache  
 ihres  Kummers  mitgeteilt  hatten,  sprach  der  Geist: 
 „ Ich  bin  Eure  Mutter.”  Die  Kinder  wollten  es  zuerst  nicht  
 glauben,  aber  schliesslich  gelang  es  ihm ,  das älteste Mädchen  
 zu  überreden  mit  ihm  zu  gehen.  Das  Kamponghaupt  Tuha,  
 der  die  beiden  fortgehen  sah,  erkundigte  sich  bei  dem  Geist  
 was  für  ein  Kind  er  da  bei  sich  habe,  worauf  er  antwortete,  
 dass  das  Mädchen  sein  eignes  Kind  sei. 
 Als  Buruti  abends  nach  Hause  kam,  hörte  sie  von  ihrer  
 jüngsten  Tochter,  was  vorgefallen  war.  Die  Mutter  lief augenblicklich  
 hinter dem Geist her und holte ihn bald ein. Er weigerte  
 sich  jedoch  das  Mädchen  zurückzugeben  und  blieb hartnäckig  
 bei  der  Behauptung,  es sei sein eignes Kind. Da sie sich darüber  
 nicht  einigen  k o nnten,  schlug  Buruti vor, dem Kamponghaupt  
 Tuha  die  Frage  vorzulegen  und  es  von  seinem Ausspruch ab-  
 hängen  zu  lassen,  wer  das  Kind bekommen solle. Tuha wusste  
 zuerst  auch  nicht wie  er  die  Sache anfassen sollte, endlich aber  
 kam ihm ein guter Gedanke. E r steckte das Mädchenin eine Kiste,  
 befahl  ih r  sich  nicht  zu  bewegen  und  gut  zu  horchen,  auf das,  
 was  gesagt  werde.  Darauf gab er dem Geist die Kiste und befahl 
 1)  Neumann,  J.  B.,  Het  Pane-  en  Bilastromgebied  opheteiland  
 Sumatra.  Tijdschr.  v.  het Aardr.  Gen.  1887.  2e  serie  III. 
 2)  Meyners  d’Estrey,  Contes  de  Nias.  Annales  de  l’Extrême  
 Orient.  X.  1888.