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   ausserdem  lässt  man  ein weisses Huhn frei, in der Hoffnung  
 dass  der  beghu  dasselbe  anstatt  seines  Opfers annimmt.  
 Die  zu  Grunde  liegende  Idee  hierbei  ist  das  Liefern  eines  
 Stellvertreters,  eine  Idee,  der  wir  bei  den  Niassern noch öfter  
 begegnen  werden a). 
 Ausserdem  streut  der  Priester  als  Opfer  für  den Geist etwas  
 Reis  an  den  Baum. 
 Gewöhnlich  lässt  der  beghu  sich  durch  all’  diese  Aufmerksamkeiten  
 bewegen,  den  jungen  Mann  frei  zu  geben und nach  
 drei  oder  vier  Tagen kehrt derselbe in seinen Kampong zurück.  
 Wenn  der  Jüngling  in  dieser  Zeit  nicht  zurückgekehrt  ist,  
 glauben  die  Niasser,  dass  der  beghu  ihn  zum obersten  Geist,  
 der  im  nördlichen  Teil  der  Insel  wohnt,  gebracht  hat.  Von  
 diesem  hohen  Geist  erhält er dann Unterricht  im Götzendienst.  
 Ehe jedoch der zukünftige Priester den Menschen zurückgegeben  
 w ird ,  hat  der  Geist  ihn  mit  Schlangen bekleidet. Als Kopftuch  
 dient  eine  Schlange  und  der ganze Körper ist in Schlangen eingehüllt. 
   Dies Schlangenkleid kann aber n u r durch einen Priester  
 wahrgenommen  werden,  andere Menschen sehen nichts davon.  
 Wenn  nun  der junge Mann endlich in seinen Kampong zurückgekehrt  
 is t,  glaubt  m a n ,  dass  er  im  Stande  ist m it  den  bösen  
 Geistern  zu  verkehren  und  sie  bewegen  kann ihre Opfer los zu  
 lassen;  auf  diese  Weise  kann er dann kranke Menschen heilen.  
 Aus  Dankbarkeit  über  die  Rückkehr  des  Jünglings  opfern die  
 Niasser  Schweine  und  Hühner,  auch  werden bihara (Priester-  
 adu)  verfertigt.  Diese  bihara  können  dem wahnsinnigen Mann  
 seinen  Verstand  zurückgeben  und  ihm  die Macht der Priesterschaft  
 verleihen;  sie  werden  aus  fünfzig verschiedenen Holzarten  
 gemacht  und  darauf  an  einander  gebunden.  Die  Niasser 
 a)  Nach  von  Rosenberg  bittet  der  Priester  den  Geist sein Opfer  
 los  zu  lassen;  unter  Trommelgetöse  und  dem  Geschrei  der Menge  
 tötet  er  ein  junges  Schwein  und  wirft  zugleich,  um  die Aufmerksamkeit  
 des  Geistes  noch  mehr  auf  sich  zu  lenken,  ein  weisses  
 Huhn,  etwas  Reis  und  einige  Scherben  in die Luft. Diese Scherben  
 sollen  durch  den  Geist  in  Gold  verwandelt  werden. Der Geist fällt  
 über  die ihm dargebrachten Opfergaben her und lässt sein Opfer los. 
 glauben  nämlich,  sagt  Kramer,  dass  jeder  der  vielen  beghu  
 in  einem  bestimmten  Baum  haust. •)  Macht  man  nun  von  
 jedem  dieser  Bäume,  von  jeder  Holzart  also,  einen  adu  so  
 werden  die  bösen  Geister  es  nicht  wagen  in  das  Haus  zu  
 kommen,  in  dem  diese  adu  aufgestellt  sind  oder  sollten  sie  
 es  schon  getan  haben,  werden  sie  jetzt  sofort  die  Flucht  
 ergreifen.  Der  junge  Mann,  der  Priester  werden  will,  muss  
 nun  dem  adu  zatua  und  den  neuverfertigten  bihara  Schweine  
 und  Hühner  zum  Opfer  anbieten,  und  die  adu  müssen  mit  
 Blättern  geschmückt werden.  Auch  vor  dem  Hause  des  angehenden  
 Priesters wird ein adu aufgestellt und durch eine Schnur  
 von  Palmenblättern  mit  den  im  Hause  aufgestellten  adu  verbunden. 
   Unter  Trommelschlägen  und  dem  Hersagen  von  Gebeten  
 bittet  man  hierauf  die  beghu  die  adu  im  Hause zu verlassen  
 und  sich in dem adu , den man vor dem Hause aufgestellt  
 h a t,  niederzulassen.  Der  Jüngling  bekommt  dann  noch  vier  
 Tage  lang von ändern Priestern Unterricht im Trommelschlagen  
 und  im  Hersagen  von  Zaubersprüchen. Zum Schluss wird ihm  
 noch  beigebracht  auf  welche  Weise  er  sich mit Lature in Verbindung  
 stellen  kann  und  wie  er  diese  Gottheit  eventuell  bet  
 wegen  k an n ,  die  Menschen,  die  sie  sich  zu  Opfern  erwählt  
 h a t,  los  zu  lassen.  Darauf  bringt  man  ihn  an den O rt, an den  
 die  Toten  gebracht  werden,  damit  er mit den Geistern der Verstorbenen  
 bekannt  werde.  Dies  geschieht in der Abenddämmea) 
   Für  die  Auffassung,  dass  die  Holzart,  aus  welcher  der  adu  
 gemacht  werden  muss,  den  Baum  repräsentiert,  auf dem der Geist  
 sich  aufhält,  sprechen  auch  bei  ändern  Völkern  gemachte  ethnologische  
 Beobachtungen;  z.  Bsp.  bei  den  Mapuche-Indianern  von  
 Chili.  Wenn  dort  die  Machi  (Priesterärzte)  einen  Kranken  heilen  
 wollen, so stellen sie einen Canelobaum oder-zweig (Drimys chilensis  
 Winteri)  neben  ihn  hin,  in  dem  dann  die  Gottheit  erscheint,  die  
 sie  angerufen  haben.  Die  Machi  fragen  den Geist, nachdem er sich  
 auf  dem  Baum  niedergelassen  hat,  nach  der  Ursache  der  Krankheit  
 und  auf welche  Art  der  Kranke  zu  heilen  ist  (Otto  Aichel:  
 Die  Heilkunde  der  Ureinwohner Chiles (Mapuche) und ihre anthropologische  
 Bedeutung.  Archiv  für Geschichte der Medizin. Band VI,  
 September  1912,  Heft  3).