Eine Niassische Kampong in 's Innere.
NEUNTES KAPITEL.
Das Kind.
In der ersten Zeit nach der Geburt, so erzählten mir die
Eingeborenen von Lölöwua (Ost-Nias) erhält das Neugeborene
nichts anders als Muttermilch. Erst nach ungefähr vier Monaten
giebt man ihm auch andere Nah ru n g , besonders Reis, den die
Mutter zerkaut und dann dem Kinde in den Mund steckt.
Wenn auch selten, so kommt es in dieser Gegend vor, dass eine
Mutter nicht genug Nahrung für ih r Kind hat. Man versucht dann
die Milchbildung zu vermehren durch den Genuss von santen
(Kokosnussmilch). Als Ursache ungenügender Milchabsonderung
nimmt man an, dass die Frau beim Kochen des Essens zu nahe
am Feuer gestanden hat und dass durch die Hitze die Milch in den
Brüsten eingetrocknet ist; oder sie kann auch eine Folge der
Tatsache sein, dass die Frau gleich nach der Entbindung schwere
Arbeit auf dem ladang verrichtet hat. W enn der Genuss von santen
nicht hilft, so sucht man die Milchproduktion durch Massage
zu befördern; aber auch dies Mittel kann manchmal versagen.
Dann bittet die Mutter eine andere Frau ih r Kind zu nähren
oder sie kauft, wenn sie das Geld und die Gelegenheit dazu
hat, Kuhmilch als Ersatz. Wenn die Mutter bemittelt ist, so
giebt sie der Amme für ihre Dienste etwas Geld, unbemittelte
Frauen brauchen jedoch nichts zu bezahlen, man betrachtet es
dann einfach als eine Gefälligkeit. Bei der Wahl der Amme achtet
man nicht darauf, ob sie ein Kind desselben Geschlechtes hat.
Mehrmals sah ich alte Frauen kleinen Kindern die Brustwarze
in den Mund stecken, um sie zu beruhigen. Junge unverheiratete
Frauen werden es dagegen nicht tun.
Eine Erklärung für die Milchsecretion konnten mir die
Eingeborenen nicht geben, sie glauben, dass die Nahrung,
welche die Mutter geniesst, sich in Milch umsetzt. Warum dies
aber bei F rau en , die keine Kinder geboren haben, nicht der
Fall ist, konnte man mir nicht auseinandersetzen. In der Regel
nährt die Mutter ihr Kind in liegender Stellung; manchmal
auch sitzend, ich sah sogar niassiche F ra u en , die ihrem Kind
beim Gehen im Freien die Brust gaben. Wenn die Mutter ihr
Kind nicht selbst nähren kann und weder eine Amme noch Kuhmilch
vorhanden ist, giebt man dem Säugling santen zu trinken.
Auf Nias ist es nicht gebräuchlich, dass junge Mütter neugeborenen
Tieren, z. B. jungen Schweinen die Brust geben.
Unmittelbar nach der Geburt wird das Kind mit kaltem Wasser
gewaschen, in den folgenden Tagen n u r zweimal per Tag
des morgens und des abends. Daran hält man fest bis das Kind
laufen k a n n , dann muss es alleine sehen, wie es fertig wird.
Es wird dann ein kleines kanduri gefeiert, zu dem die Kampong-
genossen eingeladen werden.
Nach der ersten Reinigung wickelt man das Kind in ein Tuch
und zwar so, dass n u r das Gesichtchen frei bleibt. Darauf legt
man es auf die Erde auf eine tikar. Erst w enn das Kind einige
Monate alt ist, kommt es in eine Bambuswiege, die an einem
Balken des Hauses hängt. An der Wiege ist ein tali befestigt,
an dem die Mutter dann und wann zieht, um die Wiege in
eine schaukelende Bewegung zu bringen und so das Kind still
zu h a lten ; es meint dann, so glauben die Niasser, dass es von
der Mutter auf den Armen gewiegt wird.