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 zahlreiche  Nachkommenschaft.  Es  kann  deshalb  keine  Verwunderung  
 erregen,  dass  die  Ahnen  als  Spender  von  Leben  
 und  Fruchtbarkeit  manchmal  in  Abbildern dargestellt werden,  
 bei  denen  die  Organe,  welche  die  Fortpflanzung  des  menschlichen  
 Geschlechtes bewerkstelligen, aussergewöhnlich entwickelt  
 und  auffallend  nachgebildet  sind.” 
 Auch  die  Niasser  pflegen  ihre  adu  zatua  unter Darbringung  
 von  Opfergaben  um  eine  zahlreiche Nachkommenschaft anzuflehen  
 ;  wenn  ein  Kind  geboren  is t,  empfangen  die  adxi zatua  
 aus  Dankbarkeit  ebenfalls  Opfer. 
 Es  scheint  ziemlich  gewiss  zu  sein,  dass  ursprünglich  auf  
 Nias  Phallusverehrung  bestanden  hat,  obgleich meine direkten  
 Fragen  danach  von  den  Eingeborenen  verneint  w u rd e n ;  die  
 Genitalien  seien  n u r  angebracht,  um  das  Geschlecht  des  adu  
 anzudeuten,  sagte  man  mir. 
 Die  Civilbehörden  auf  Nias  waren  so  freundlich  auf  meine  
 Bitte über die Bedeutung des Phallus bei der Bevölkerung Erkundigungen  
 einzuziehen.  Herr  Hauptmann  Maidman  erfuhr  von  
 den  Nord-Niassern,  dass die Geschlechtsorgane bei den adu zur  
 Unterscheidung  zwischen  männlichen  und  weiblichen  adu  
 angebracht werden.  Die Geschlechtsorgane werden so auffallend  
 gross  abgebildet,  um  die  bösen  Geister  zu  erschrecken und in  
 die  Flucht  zu  jagen.  F ü r  die  Nord-Niasser  sind  die Genitalien  
 kein  Fruchtbarkeitsymbol,  ebenso  wenig  sind  sie  ein  Mittel  
 gegen  den  bösen  Blick. 
 Nach Angabe des obersten Civilbeamten Herrn Laverman sind  
 in West-Nias n u r in den öris Moroo Lulu und Moroo Lahömi die  
 adu  mit  Genitalien  versehen;  in  übrigen  neun  öris  von  
 West-Nias  soll  es  jedoch  nicht der Fall sein. In den beiden erstgenannten  
 Distrikten  wurde  den  Geschlechtsorganen durch die  
 Bevölkerung  keine  besondere  Bedeutung  zugemessen. 
 Der  oberste  Civilbeamte  von  Süd-Nias,  Herr  Hauptmann  
 Hajenius,  teilte  mir mit, dass für die Eingeborenen in Süd-Nias  
 der  Phallus  weder  als  Symbol  der  Fruchtbarkeit  noch als ein  
 Mittel  zur  Abwehr  böser  Geister  gilt.  Dass  die  Geschlechtsorgane  
 häutig  so  auffallend  gross  dargestellt werden, geschieht 
 ERSTES  KAPITEL. 65 
 nicht,  weil  ihnen  besondere  Kraft  zugeschrieben  wird  oder  
 aus  irgend  einem  ändern  tieferen  Grunde,  sondern mehr zum  
 Scherz.  Manchmal  ist  das  männliche  Glied,  um  die  Lachlust  
 zu  erregen,  krumm  abgebildet. 
 Ungefähr  dasselbe  wurde  mir  von  den  Eingeborenen  aus  
 Ost-Nias  berichtet.  Hier  wird  dem  Phallus  ebenso  wenig  die  
 Bedeutung  eines  Fruchtbarkeitsymbols  oder  die  Kraft  böse  
 Geister  und  sonstige  ungünstige  Einflüsse  abzuwehren,  beigelegt. 
 Nach  der  Meinung  des  Doctor  djawa  (inländischer Arzt)  in  
 Gününg  Sitoli  muss  man  die  Tatsache  der  auffallend  geformten  
 Geschlechtsorgane  bei  den  adu  einerseits durch die geringe  
 Kunstfertigkeit  der  Niasser  die  Körperteile  in  guten  Grössenverhältnissen  
 nachzubilden  erklären,  andrerseits  durch  die  
 Absicht  das  Kunstwerk  amüsant  zu  machen.  Der  Niasser  hat  
 nämlich  viel  Spass  an  zweideutigen,  auf  das Geschlechtsleben  
 bezüglichen  Witzen;  wenn während  der Impfung viele M änner  
 und  Frauen  beisammen  sind,  tritt  dies deutlich zu Tage. Ihrer  
 sinnlichen  Anlage  entsprechend  finden sie ein Vergnügen darin  
 obscöne  Dinge  darzustellen.  So  sah  der  Doktor  djawa  in  der  
 Wohnung  eines  Häuptlings von Hiliiraonolase am Flusse Suassi  
 in  Ost-Nias  einen  hölzernen  Penis, der als Kleiderhaken diente  
 und  in  vielen  Wohnungen  sieht  man  an  der  Wand  und  an  
 Pfählen  weibliche  Mammae  zur  Verzierung  angebracht.  Man  
 findet  die  letzteren  ebenfalls  an  in  der  Form  eines  runden  
 Tisches  ausgehauenen  Steinen,  die zum  Tanzplatz  für Frauen  
 bestimmt  sind  und  zugleich  als  Beweis  von'Vornehmheit und  
 Reichtum  gelten. 
 In  Onoiimbu,  einem  Kampong  in  der Lahömigegend (West-  
 Nias) befindet zieh  vor manchen Wohnungen ein kleines für adu  
 bestimmtes  Haus,  in  dem  männliche  und  weibliche  Figuren  
 paarweise  einander  gegenüberstehend  aufgestellt  s in d ,  so dass  
 der  Mann  die  Mammae  der  Frau  und  diese  den  Penis  des  
 Mannes  umfasst,  um  auf  diese  Weise  auf die  Ausübung  des  
 Coitus  anzuspielen.  Auf  die  Frage ob diesen Vorstellungen eine  
 besondere  Bedeutung  zu  Grunde  liege, wussten die Eingeborenen  
 keine  Antwort  zu  geben.