Auffassung lernte ich auch bei den Westniassern kennen.
Sundermann (Kleine Niassische Chrestomathie. Bijdragen tot
de T. L. en Y. K. in N. Indie. Band XLI. 1892) erzählt eine
Legende, welche diese Auffassung der Niasser näher illu strie rt:
„E in st, als Iwowalacha schwanger war, boten ihr Mann und
ihre Schwägerin ih r pikante und saure Speisen an. Sie wollte
jedoch nichts geniesen; was man ih r auch brachte, sie ass
nichts davon. Endlich frug man sie: „Was willst Du denn
essen, wenn Dir diese sauren Speisen nicht Zusagen? ” Iwowalacha
antwortete: „ ic h esse hiervon nicht, sondern der Blitz
aus der Wolke muss meine Speise sein. Bindet dem Hund ein
Tuch um die Lenden und lasst die Katze am Dachfenster tanzen,
dann- wird der Blitz einschlagen und den werde ich essen, der
soll meine Nahrung sein.” Man gehorchte ihren Befehlen, man
band dem Hund ein Tuch um und liess die Katze am Dachfenster
tanzen und der Blitz schlug ein und wurde von Iwowalacha
verzehrt.”
Während der Gravidität muss die niassische Frau und in
mancher Hinsicht auch ih r Gatte, wollen sie sich eine glückliche
Entbindung sich ern , eine ganze Anzahl von Vorschriften
befolgen und eine Menge gewohnter Beschäftigungen unterlassen.
Diese Vorschriften, Massregeln und Unterlassungen sind
nicht in allen Teilen der Insel dieselben; sie werden amonita
genannt; amonita sind im allgemeinen Dinge, deren man
sich enthalten m u ss, die man nicht nennen und nicht anrühren
darf, d. h. zu bestimmten Zeiten und unter besonderen Verhältnissen
(Sundermann).
In Ost-Nias ist es schwangeren Frauen strengstens verboten
mit ändern Männern ausser mit ihrem Gatten zu scherzen, oder
ihnen zuzulachen. Nur in Gesellschaft ihrer Eltern oder ihres
Mannes darf eine schwangere Frau das Haus verlassen. Sie
muss gut achtgeben, dass sie keine Schlange tötet, denn dann
wird das Kind später nicht laufen le rn e n , sondern wie eine
Schlange über den Boden kriechen.
Ebenso wenig darf sie Fische angeln, das Kind wird sonst
mit einem Loch im Kinn geboren.
Eine Schwangere darf keinem Huhn den Hals abschneiden,
weil das Kind sonst später Halsschmerzen bekommen wird;
auch muss sie sich hüten einen Toten zu berühren , es sei denn,
dass der Verstorbene eine naher Verwandter ist. In Ost-Nias
hält man es für sehr unvorsichtig, wenn eine schwangere Frau
einen Pisangstamm umhackt, das wird dem Kind später gewiss
Kopfgeschwülste verursachen, und wenn sie ih r Kind vor der
Hustenkrankheit bewahren will, darf sie nicht an einem Blasebalg
ziehen.
Es ist schwangeren Frauen verboten auf dem ladang zu
b ren n en , dadurch wird das Kind später die
Krätze bekommen. Sie dürfen keine Lasten auf
dem Bücken trag en , denn das bringt dem Kind
ein Bauchleiden. Es gilt auch für unvorsichtig,
wenn sie sich zu nahe an’s Feuer setzt, dann ist’s
zu warm für den Fötus, er wird krank. Die
meisten dieser Vorsorgsmassregeln muss in Ost-
Nias auch der Gatte der Gravida beobachten.
In Nord-Nias (Lahewa) dürfen die zukünftigen
Eltern überhaupt keine Tiere schlachten, das
könnte zur Folge haben, dass das Kind gleich
nach der Geburt dieselben Bewegungen macht
wie das Tier, das man getötet hat.
Sie müssen den Ort, an dem sich Jemand erhängt
hat, meiden, weil das Kind sonst dem
Selbstmörder gleichen, und mit einem dicken
Hals und verdrehten Augen zur Welt kommen
wird. Sollte es doch geschehen sein, so ist das
Unheil nur abzuwenden, wenn auf Befehl des
Priesters ein adu, der einen Erhängten darstellt,
angefertigt und diesem adu geopfert wird.
Adu, einen Erhäng- Auch hält man es für gefährlich, dass eine
ten i oi stellend. schwangere Frau in die Nähe der Stelle kommt,
wo sich ein Mensch durch Erhängen das Leben genommen
h a t, da sich hier gerne der beghu di bunu aufhält, der die
schwangeren Frauen mit Fieberkrankheit und Unheil trifft.
Der Anblick eines Ertrunkenen ist ebenfalls folgenschwer für
das zu erwartende Kind. Aus all’ diesen Beispielen geht deutlich