die mächtigen Schluchten. Nackte Felsgestalten umlagern in
malerischer Gruppirung die spitzen Berggipfel und schauen
trotzig in die Tiefe; aber rastlos führt der Zug weiter über
Mürzzuschlag (Mittägsstation) und Laibach nach Adelsberg,
durch die dortigen unwirthlichen, nackten Alpen bis St. Peter,
wo der Zug stark gebremst wird und nun herabzurollen beginnt.
Bei der letzten Bigung, etwa zwanzig Minuten von. dem
reizend gelegenen Schlosse Miramare (Besitzung des Kaisers
Maximilian von Mexico) erblickt man den Spiegel des adriatischen
Meeres. Mit Entzücken schweift das Auge über die dunkelgrüne
Fluth und kann sich nicht satt sehen an der weiten,
wogendenFläche. Zumal auf mich, der ich an der Ostsee geboren
bin machte dieser herrliche Anblick einen ungemein wohl-
thuenden Eindruck, der Hauch der Erinnerung an die Jugend-
zeit durchzog meeresfrisch und meereskühl meine Brust und
rief unwillkührlich alte, traute Gefühle an die Heimath in mir
wach. Und immer herrlicher wurde die Aussicht. Fischerboote
schaukelten sich auf den Wellenkämmen, in der Ferne zogen
einzelne Dampfer; weifse Rauchsäulen ausstofsend, eilend dahin,
unten aber, dicht am steilen Meeresufer erhob sich das
prächtige Schlofs Miramare inmitten eines lieblichen Gartens;
doch an allen diesen Schönheiten ging es im Fluge vorüber
Aber die Stadt Triest schlug nun auch ihren aus Morgennebeln
gewebten Schleier zurück und zeigte ihr Antlitz voller
Schönheit, und auf den Höhen und der gegenNorden gelegenen
Bergwand traten nette Landhäuser aus ihren grünen Umgebungen
hervor und äugelten freundlich nieder auf Stadt und
Meer. Ueber einen Viadukt brauste der Zug dahin, zweimal
wurde die Aussicht unsern Blicken durch Tunnels neidisch
entzogen, dann folgte wieder ein langer verdeckter Viadukt, an
der Quarantaine vorbeiführend, der gellende Pfiff der Dampfpfeife
erklang und wir hielten am Bahnhofe von Triest.
Diese Stadt trägt schon mehr den italienischen Charakter
und ihre ganze äufsere Erscheinung deutet darauf hin, dafs
hier ein Uebergangspunkt isst, in dem viele, verschiedene Elemente
sich begegnen; ein Gepräge, das übrigens jeder Seestadt
eigenthümlich ist. Ein kleineres^ einem Deutschen gehörendes
Hôtel, das meinem Reisegefährten bekannt war, em-
pfifio- uns bald in seinen Mauern, wohl aufgehoben daselbst
besorgte ich einige Briefe und suchte dann den Spediteur auf,
welcher zwei vorausgesendete Kisten an mich ablieferte.
Die regelmäfsigen mit breiten Platten gepflasterten Stra-
fsen von Triest erleichtern den Verkehr ohne den betäubenden
rasselnden Lärm zu veranlassen, welchen in ändern Städten
die Wagen auf dem holperigen Steinpflaster hervorzurufen
pflegen. In der kurzen Zeit meines Aufenthaltes sah ich mir
die schönen Hallen, Säle und Corridors des grofsartigen Börsengebäudes.
an und hielt mich meist in der Nähe des Meeres
auf, aus alter Neigung zu dem regen fröhlichen Treiben, das
auf dem Meer und besonders in einem Hafen herrscht, um den
frischen Eindruck des lange entbehrten Seelebens zugeniefsen.
Das Leben ist in Triest ziemlich theuer. Die Individuen der
niederen Volksklassen sehen meist sehr zerlumpt aus und man
begegnet hin und wieder auf den Strafsen manchen in phantastisch
drappirte Fetzen gehüllte Figuren. Die Märkte sind mit
allerlei Südfrüchten gefüllt. Die Kaffeehäuser meist nicht sehr
einladend und reinlich gehalten, erfreuen sich eines starken
Besuchs aus allen Schichten der Gesellschaft. Zugleich sind
sie ein Sammelplatz von mancherlei Bettlern, Krüppeln, Mifs-
geburten und faulenzenden Lungerern, die dem Fremden durch
ihre Unverschämtheit den Aufenthalt verbittern und einen tiefen
Blick in das grofse Elend der meisten trägen Bewohner
des südlichen milden Himmelstriches thun lassen. Bemerkenswerth
sind aufser der Eisenbahnstation das grofsartige Zollhaus,
der Leuchtthurm, die Citadelle, einige Kirchen und-meh-
rere schön an dem Meeresufer gelegene Hotels, wo die Preise
übrigens sehr hoch sein sollen.
Gleich nach dem Mittagsessen begab ich mich in die dicht
an der Börse angrenzenden Geschäftsräume der Lloyd-Dampf-
schifffahrts-Gesellschaft, kaufte mir einen Platz für das morgen
nach Alexandria abfahrende Dampfschiff und beendete
dann noch einige Briefe in die Heimath.
Dienstag den 20. September bei trübem Himmel und im
ziemlich heftigen Regen verliefs ich mit meinem Gepäck den