16 Fufs hohen Gebäudes sind von kleinen Tafeln bedeckt, auf
denen Sprüche und Gesetze des Korans, auf Papier öder Pergament
geschrieben, angeklebt sind. Der Boden des ganzen,
Raumes ist von feinen Strohmatten bedeckt, und zwei Fenster,
eins nach Süden, das andere nach Norden, sind mit eisernen
Gittern verschlossen, an denen, aus der letzten Pilgerzeit
her, unzählige alte verblichene Zeugstreifen und Bänder herunterhängen.
Dem Eingänge gegenüber, nach Osten, befindet
sich ein blindmarkirtes Fenster, vor diesem ein Vorhang, der
an Bindfaden unordentlich in die Höhe gehalten, von einer
rohen, eisernen Stange bis auf den Boden herabhängt. Er ist
von plüschartigem, dunklem Stoff, oben mit wenigen durch
Goldstickerei verzierten, arabischen Worten versehen, die keiner
meiner Begleiter erklären konnte, nur das Einzige wufs-
teh sie, dafs dieser Vorhang die Richtung nach Mekka andeute,
in welcher die Gläubigen ihre Gebete verrichten.
Ein Straufsenei war, auch vielleicht als Opfergabe, an
der einen Seite der östlichen Wand aufgehängt. Die, Muselmänner
brauchen auch eine Art von Rosenkränzen und sind
dem Scheine nach alle mehr oder weniger gläubig und religiösfanatisch.
Trotzdem war, aufser jenen elenden Lappen an
den eisernen Fenstergittern, kein werthvolles Geschenk oder
Opfer zu sehen.
Die hiesige Bevölkerung huldigt, wie im ganzen Orient,
dem Grundsatz „Nehmen ist besser als Geben“ und „in Geldsachen
hört alle Gemüthlichkeit auf“. Es kommen hiervon
auch Ausnahmen vor, immer aber werden mehr aus der Sucht,
von sich sprechen zu lassen, verschwenderische Geschenke
gegeben, als aus wirklich uneigennützigen, edlen Motiven.
Vor dem grofsen Grabmal der Eva nach Osten und Westen
hin liegen weite Begräbnifsstätten für die Einwohner der
nahen Stadt und die auf der Pilgerfahrt nach Mekka Verstorbenen.
Die Denkmale sind theils mit Gittern und Steinplatten
reich verziert, theils sind sie nur kleine, rohe Steine, c)ie den
Platz decken, wo der Körper eines Armen ruht. Nach einem
Aufenthalte von etwa 20 Minuten kehrte ich in die kühle Vorhalle
zurück, zog meine Stiefel an und ging dann, den am
im
westlichen Ende dieser Halle angebrachten Sarkophag zu
sehen. Auf einer Pilgerfahrt von Konstantinöpel nackMekka
starb die Frau des Sultans Mahmud und ihr Körper wurde
hier in heiligem Grunde begraben. Der Sarkophag ist ein einfacher,
hölzerner. Kasten, wie eine.grofse Hundehütte aussehend.
Einst war er von Tuch ganz bedeckt, jetzt hängen
die zerrissenen Fetzen daran herunter, und die Sperlinge hatten
dieses Grabmal mit ihren Exkrementen über und über bedeckt.
Gleichgültigkeit und Unordnung waren hier, wie überall
bei diesen Völkern, deutlich zu erkennen, und es ist unglaublich,
wie wenig Ehrfurcht und Achtung die Mohameda-
-ner im Allgemeinen vor dem Todten haben.
Nachdem ich auch den (nördlichen) unteren Theil des
Riesengrabes angesehen und erfahren hatte, dafs jener die
Ruhestätte der Beine sei, kehrte ich wieder in die Vorhalle
zurück.
Aufser dem Führer und meinem Begleiter waren ein Paar
ganz nackte Kinder, einige,Faulenzer und Bettler anwesend,
die wohl auf meine Börse specülirt hatten, sich aber bald enttäuscht
zurückzogen. Mein Begleiter sagte mir, seinem Glauben
nach würde: angenommen, dafs die ersten Menschen die
durch das Riesengräb gezeigte Gröfse gehabt hätten und dafs
die Menschen seitdem immer kleiner und kleiner würden. Als
ich ihm darauf erwiederte, dafs nach seiner Annahme folgerecht
seine fünfhundertste Nachkommenschaft auf die Länge
eines Zolles und später zu einem Atom einschrumpfen müfs-
ten, begriff er wohl, das Unsinnige einer solchen Ansicht und
liefs hierüber keine weiteren Erörterungen fallen.
Er fragte hierauf nach meiner Meinung wegen des vor
uns liegenden Grabes, und ich sagte,, obgleich allein unter
sechs Muselmännern in ihrem Heiligthume, dafs ich keinerlei
Zugeständnisse machen könne, denn läge Eva hier auf dem
Rücken, so wäre die Breite viel zu gering zur Länge.
Mein Begleiter sagte dem Führer und Aufseher dieses
Ortes meine Meinung und dieser erwiederte, die Eva liege auf
einer Seite mit einem Arm und einer Hand unter ihrem Kopfe;
als ich darauf nachwies, dafs auch für diese Lage die Tiefe des