Gasthof, um mich an den Hafendamm, auf den dort zur Abfahrt
bereit liegenden Dampfer zu begeben.
Der Letztere führte den von seinen Leistungen viel versprechenden
Namen Pro gresso (Vorwärts) aber freilich wie lu-
cus a non htcendo, er blieb auf der Fahrt weit hinter den geringsten
Erwartungen zurück, und ich möchte Regresso (rückwärts)
für eine viel bezeichnendere Benennung jenes langsamen
Seedampfers halten.
Gegen 10 Uhr Morgens ertönte das Signal zur Abfahrt,
und mit dem zehnten Glockenschlage wurden die Taue gelöst;
die Maschine begann zu arbeiten, und unter dem Druck des
Steuers wendete der Schraubendampfer sein Bugspriet nach
Südost in die offne See. Von,Freunden und Bekannten hatte
ich keinen Abschied zu nehmen, dennoch rief ich meiner grö-
fsereff Heimath Europa ein unwillkührliches „Lebewohl“ —
„Auf Wiedersehen“ zu. Ich stand damals vor einer ungewissen
Zukunft, Strapazen und Gefahren erwarteten mich in
Menge, aber der Wunsch, den ich damals hoffend aussprach,
hat sich glücklich erfüllt. Won den durch die Wolken umlagerten
Küsten bekam ich am ersten Tage sehr wenig zu sehen
und hatte daher Mufse genug, dem Schiffe selbst und seinen
zeitweiligen Bewohnern meine Aufmerksamkeit zu widmen.
Unsere Sehiffsgesell schaff; bestand aus einigen dreifsig Kajüten
Passagieren, dazu kamen noch als Bemannung die Kapitäne,
Maschinisten, der Doctor, die Steuerleute und 52 Mann
Matrosen und Heizer. Das Schiff hatte aufserdem eine ziemlich
starke Ladung, sowie, eine Anzahl Vieh am Bord, arbeitete
mit 820 Pferdekraft und sollte 9 Seemeilen in einer Stunde
zurücklegen. Die Entfernung selbst von Triest bis Alexandria
beträgt 1200 Seemeilen.
Das Meer war ziemlich ruhig, und nur die vollkommnen
Landratten sollten in jenen eigenthümlichen Zustand .versinken,
in dem mau sich selbst als Sonne eines ganzen Planetensystems
erblickt, das wirbelnd in bacchantischem Tanze seinen
Mittelpunkt umkreist, um still vergnügt ihren angenehmen
Empfindungen zu leben, nichts vom Meer und den Küsten zu
sehen und das Ende der Fahrt so schnell als möglich herbeizuwünschen.
Uebrigens war auch vorerst wenig zu sehen, denn in tiefe
Wolkenschleier gehüllt waren dier Umrisse der istrischen und
dalmatischen Küste nur undeutlich zu erkennen.
Gegen 4 Uhr Nachmittags näherten wir uns der Küste,
wir passirten das Cap d’Istria, die Stadt Pirano, die Punta, die
Salvdre und fuhren längst der Küste von Illyrien bei Porto
Quinto vorbei, bis zu dein befestigten Pola, in dessen Hafen
österreichische Fregatten sich vor Anker schaukelten. Von
Pola aus folgte unser Schiff noch eine Strecke dem Laufe des
Landes bis zur Punta die Promentore und durchschnitt dann
von dieser Landspitze aus in südsüdöstlicher Richtung das
adriatische Meer, lange Zeit uns den Anblick der Küsten entziehend.
Am nächsten Morgen rief uns eben die Schiffsglocke an
den Frühstückstisch, als die Küsten von Italien in Sicht kamen,
Das Land tauchte allmälich noch mehr aus den Flutheri hervor,
und wir konnten in der Nähe von Brindisi deutlich die
Ausläufer der Apenninenkette gewahren, die den Horizont begrenzten.
Es war der letzte Blick, den wir dem italienischen
Festlande zuwarfen. Ein Dampfer, der neubegründeten italienischen
Gesellschaft gehörend, kam von Brindisi herüber und
bog vor uns in das mittelländische Meer ein. Auch wir stachen,
indem wir das schützende Festland zur Seite verliefsen,
in die offene See hinaus und wurden sogleich von einem heftigen
Südostwinde empfangen, der unsere verzagten Passagiere
in die Arme der Seekrankheit warf.
In den Nachmittagsstunden kam das albanesische Land
in Sieht und gewährte einige deutlichere Blicke auf die rauhe
und nackte Formation seiner Küste. Die Felsen fielen schroff
nach dem Meere ab und zogen sich eine Zeitlang, von den
Wogen durchwaschen und zerrissen, auf dem Meeresgründe
bin, um dann plötzlich wieder sich jäh aus der Tiefe zu erheben
und als Insel Lesina noch einmal den Fluthen zu trotzen.
Der Wind blies aus vollen Backen und peitschte so heftig die
Meereswogen vor sich her, dafs sie ihren Rücken krümmten