stalten in ihrem weifsen Ueberwurf von feinem Stoife und
dem im Winde fliegenden, bauschigen Gewändern hatten etwas
geheimnifsvoll Anziehendes in ihrer Erscheinung. Als
ich mich ihnen ein wenig näherte, wendeten sie ihre unverhüllten
Gesichter nach mir, doch nur wenige Augenblicke
konnte ich ihre Gesichtszüge mustern,- da si& statt meiner
wohl ihren Herrn erwartet hatten und schnell , sich wieder
verhüllten. Beide Personen, noch in sehr jugendlichem Alter
stehend, sahen wenig geistig entwickelt aus, aber die hübsche
braune Gesichtsfarbe, die jugendlich feurigen Augen und
ein Lächeln, dafs die weifsen Zähne enthüllte und den ganzen
Sonnenschein des Angesichts sehen liefs, gaben Zeugnifs von
der grofsen körperlichen Schönheit, wie sie Orientalinnen
eigen zu sein pflegt. Freilich mischte sich unwillkührlich in
diese anerkennende Bewunderung ihrer Schönheit der bittere
Gedanke, dafs diese unglücklichen Geschöpfe als Sklavinnen
ihre schönsten Jugendjahre an oft bestialische Herren
und Händler verschleudern müssen, und den gröfsten Theil
ihres Lebens, von aller Welt abgesperrt, in trostloser Einsamkeit
verbringen.
Um 1 Uhr Mittags hatten wir auf dem Hinterdeck im
Schatten 24 Grad, während das Meerwasser 21 Grad Wärme
nach Röaum. anzeigte. Um etwa 2| Uhr Nachmittags fuhren
wir über jene historische Stelle, wo einst die Juden aus Egypten
nach dem Sinai entflohen. Der Meeresarm ist hier nur
etwa eine geographische Meile breit, und das Wunder lag damals
sowie heute in der starken Ebbe und Pluth, die diesem
Meere eigen ist, indem die verfolgenden Egypter in dem stei-
gendenWasser umkamenj während die vorausziehenden Juden
die Ebbe benutzend, und durch mehrere kundige Führer geleitet,
die seichtesten Stellen rechtzeitig durchschritten. Der Meeresarm
ist aber hier in seiner ganzen Ausdehnung am engsten,
und die kluge Benutzung der Furt hat es dem jüdischen Volke
möglich gemacht, ihren Unterdrückern zu entfliehen.
In der Dunkelheit bemerkte ich während meiner Thermometer
Beobachtungen ein Licht im Meere nach der afrikanischen
Seite zu und erfuhr von meinem englischredenden Ingrenieur
Achmed, dafs jenes Licht von dem Leuchtthurme Sa-
ffrana (der Schnelle) käme. Das im Schlepptau befindliche
Boot war bestimmt Lebensmittel für die drei einsamen Felsen-
bewohner (zwei Engländer und einen Araber) zu bringen, und
ider eigentliche Zweck der Reise Achmed’s war eine Revision
lenes und noch anderer Leuehtthürme. In der Nacht sollte
das grofse Boot noch mit Trinkwasser beladen werden, und
zur schnelleren Beseitigung dieser, Arbeit wurde ein Boot
[mit 5 Mann in das Méér hinabgelassen j aber aus Mifsver-
[ständnifs oder unrichtigem Befehl begann die Maschine mit
•voller Kraft zu arbeiten. Die Leute im Meere trieben schnell
|äb, mühten sich vergeblich mit ihren- Rudern und erhoben
[grofses Geschrei. Diesem antworteten ihre Kameraden auf
unserem Schilfe, und ein langer Bootsmann rief durch Seine
¡schrille Pfeife nicht nur alle Mannschaften zusammen, sóndern
gerieth mit seiner Zunge und seinen drohenden Gebehrden
hart an den kommandirenden zweiten Kapitän. Es war ein
[wahrer Höllenlärm, ein Hin- und Herlaufen, Schreien, Schimpfen
und Toben, bis der zweite Kapitän, einen Sessel ergreifend,
mit einem furchtbaren, alles übertönenden Gebrüll auf
den widerspenstigen Bootsmann zustürzte, ihn zwar nicht
handgreiflich berührte, jedoch, das letzte Wort behaltend, die
schwarze Mannschaft zum Gehorsam zwang und die Dampfmaschine
halten liefs. Die Schiffslaternen wurden am Maste
aufgezogen, und die ganze Schiffsbewohnerschaft sah auf dem
; dunklen Meere nach dem Boote aus. Nach etwa einer halben
Stunde kam es in den Gesichtskreis. Nun begann die vorher
beabsichtigte Ueberladung, und mein Freund Achmed Efendi
fuhr, von acht Matrosen begleitet, auf dem früher im Schlepptau
geführten Fahrzeuge nach dem Leuchtthurme ab. Unser
-Schiff trieb langsam auf dem Meere' nach der arabischen Küste,,
nach einigen Stunden dampften wir dann so nahe als möglich
an den genannten Leuchtthurm heran, und als alles wieder
an Bord geordnet und befestigt war, stand'schon die Morgensonne
am Saume des Horizontes.
Um 61 Uhr Morgens hatte die Luft 24 j,Grad Réaumur
Wärme, der Himmel war leicht bewölkt, und die Sonne ver