Sonnenaufgang mit leichten, weifsen Wolken bedeckt, ein dichter
Nebel ruhte auf der Stadt und dem Palmenwalde, hinter
welchem die kuppelartigen, abgerundeten Spitzen des Djebel
Kassala im schönsten Morgenlichte hervorschauten. Vormittagsmachte
ich mehrere Gepäckstücke reisefertig, liefs aber
zugleich einige Kisten und Säcke mit getrocknetem Brote in
das Magazin des griechischen Kaufmannes bringen, da ich
meinen Mitbewohnern und Nachbaren nicht ganz trauen
konnte ; bereits waren mir einige Flaschen . ' . ■ o mit Wein und Coosnak
aus einer schlecht verschlossenen Kiste abhanden gekommen.
Nach Verlauf der heifsesten Stunden brachten einige Eingeborene
drei ermordete Landleute auf dem Marktplatz, dann
zum Gouverneur, wo im Beisein einiger Beamten der Doktor
die Todten besichtigte. Es waren noch junge Leute, die durch
Hiebe über den Kopf getödtet worden waren; nur Einer hatte
eine Stichwunde in den Hals erhalten. Die Volksstimme schob
einigen Soldaten den Mord zu, und da ich gerade dem Gouverneur
auf dem Platze begegnete, fragte ich nach seiner
Meinung. Dieser antwortete, dafs jene Mordthat von Schu-
krie-Arabern verübt worden wäre, die Soldaten hätten keinen
Theil daran. Der betreffende Herr hatte ein sehr geröthe-
tes Gesicht, als ich ihn sah, und später hörte ich, dafs die untergehende
Sonne ihn stets im Zustande der Trunkenheit auf
dem Wege nach seiner Wohnung oder seinem Harem heimleuchten
müsse.. Auf die Angabe hin, dafs Schukrie, die unter
die Gerichtsbarkeit, von Ohartum gehören, jene Mordthat begangen
hätten, wurde zwar viel hin und her geschrieben, aber
der Vorfall nur oberflächlich untersucht, womit die Sache ab-
gethan war. Die Ermordeten waren doch nur Eingeborene,
die Untersuchungsbeamten kümmerten sich in altgewohnter
Sorglosigkeit sehr wenig um eine solche Kleinigkeit, und die
wirklichen Verbrecher werden, wenn sie von Eingeborenen
nicht verrathen, von der egyptischen Polizeibehörde gewifs
nicht aufgefunden. Nach einigen Wochen wächst Gras über
die Geschichte und der betreffende Fall kommt, wie dies Beispiele
in Menge bezeugen, in Vergessenheit.
Donnerstag, den 1. December 1864. Einige leichte Wolken
bedeckten den Himmel, unter dem Djebel Kassala lag
etwas Nebel, aber die höher heraufrückende Sonne vertrieb
denselben. Bei dem Gouverneur machte ich einen Besuch
und erhielt aufser zwei Führern noch einen Geleitsbrief für
Sabderat und Algeden. Diese Vorsichtsmafsregeln traf der
Gouverneur unserer Sicherheit wegen, * er wollte uns selbst
einige Reiter mitgeben, was ich aber dankend ablehnte.. Dann
sah ich Pater Stella nebst Herrn Munzinger und liefs mir eine
genauere Beschreibung des räuberischen Ueberfalles der Ba-
rea geben.
Ein einflufsreicher, vornehmer Mann, Harnet-At-Alle-Ba-
chyt, aus dem Geschlechte At- und Alle-Bachyt, von dem
Stamme der Beni-Amer (Söhne des Amer) hatte mit 25 bewaffneten
Barea aus dem Dorfe Bisha, einem Orte, halb aus
Bar Ca und halb aus Beni-Amer bestehend, und von der anderen
Stammbewohnerschaft desselben Ortes unterstützt, den
Streifzug nach Bogu gemacht. Dieses Dorf liegt etwa U Stunden
von Keren in westlicher Richtung auf einem 1000 Fufs
hohen Berge. Die Räuber verwüsteten die Felder an den
Ufern des Chor el Barka, tödteten 49 Eingeborene und einen
Diener des Pater Stella und führten 104 Weiber und Kinder
dieser meist zum katholischen Christenthum sich bekennenden
Unglücklichen in die Sklaverei.
Obgleich die Beni-Amer sich-kürzlich theilweise so räuberisch
benommen hatten, wollten wir doch die ihnen stammverwandten
Bewohner in Algeden besuchen und setzten die
Abreise am nächsten Tage, wie wir es schon seit einiger Zeit
beschlossen hatten, in’s Werk.
Freitag, den 2. December 1864. Um 7 Uhr Morgens waren
wir zur Abreise bereit und setzten uns mit drei Kamee-
len, zwei Eseln und drei Dienern, von zwei durch Vermittelung
des Gouverneurs uns mitgegebenen Arabern geführt, in.
Bewegung, Durch das- östliche Stadtthor zogen wir hinaus
an der Kaserne vorbei und traten in den Bereich der Wüste
ein. Darah schlofs -sich ein Thaleinschnitt an, durch den der
Karavanensteig zwischen dem Djebel Kassala zur rechten und
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