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Markte zurückkehrte, hörte ich, dafs der alte Malern Go er gis
seinem Leiden, der Wassersucht, erlegen sei, und bald schallte
aus dem nahe gelegenen Todtenhause ein gellendes Kreischen
der Frauen und Sklavinnen in mein stilles Zimmer herüber.
Dieses Geschrei der Klageweiber kann ich nur mit dem eines
Rudels heulender Wölfe oder Hyänen vergleichen. Schrillende
hohe Triller mischten sich darein, und der Ausbruch des
Schmerzes steigerte sich bis zu einer fast bestialischen Wildheit.
Die Weiber oder Haussklavinnen bestreuten sich dabei
mit Staub und Asche, doch schien die Trauer, soviel ich später
im Todtenhause bemerkte, meist erkünstelt.
Bald nach dem Mittagessen begab ich mich in das Sterbehaus,
wo noch die Herren Munzinger, Pater Stella, einige
Franzosen, der Stellvertreter des Handlungshauses und Verwandte
des Verstorbenen versammelt waren, aufserdem
drängte eine bunte Menge in den Garten. Hier wurde der
auf einem Angereb ruhende, von einem buntfarbigen, seidenen
Tuche überdeckte Leichnam des heute Morgen Verstorbenen
in eine. ausgemauerte Gruft neben der Ruhestätte
seiner ihm vorangegangenen Tochter gelegt. Dann kamen
die Maurer und wölbten in unserem Beisein den oberen Bogen
über der Leiche zu. Während der Stellvertreter theil-
nahmlos dabei stand, heulten, schrieen und weinten die Weiber
im Hintergründe, mitunter erlabten sich die von Schweifs
triefenden Arbeiter an der von den Erben gelieferten, Me-
rissa (eine Art Bier). Das wilde Durcheinander, die Gefühllosigkeit
und mancherlei widerliche Bemerkungen der Umstehenden
empörten mich und gaben mir einen neuen Beweis
von der gleichgültigen Sorglosigkeit, mit welcher die Todten
im Orient behandelt werden.
Die Arbeiter zankten sich, während sie den etwa zweiFufs
breiten, stark gewölbten Bogen zu schliefsen hatten, und das
wüste Geheul trug nur dazu bei, den abstofsenden Eindruck
'in mir zu erhöhen. Sobald die Leiche durch das Steingewölbe
und darüber geworfene Erde von der oberen Welt abgeschlossen
war, ertönte nur noch kurze Zeit leises Wimmern von den
Klageweibern, dann empfingen sie Geld zum Lohne, wurden
mit Speise und Trank gelabt und die erheuchelte Trauer war
vorüber.
In den späteren Stunden kam Herr Munzinger in meine
Wohnung, und die letzten unangenehmen Erinnerungen verwischten
sich bei den mancherlei interessanten Mittheilungen,
die ich über die Beni-Amer, die Ahyssinier und Masaua erhielt.—
In der Nacht kamen einige Hyänen diehtan die Bastion
und heulten schauerlich um ein dort verendetes Kameel, das
sie .verzehrten.
Donnerstag, den 24. November 1864. In den Morgenstunden
besorgte ich mehrere Briefe zur Post, von wo sie gegen
Abend über Gos-Redjeb nach Chartum gingen, um dann
den Nil hinunter bis Kairo (el Miszr), theils auf Postkameelen,
theils zu Fufs durch Eingeborene nach der grofsen Hauptstadt
des Landes befördert zu werden. In meiner Wohnung hatte
ich noch verschiedene kleine Arbeiten zu verrichten und begab
mich dann auf den'Markt, wo einer der Franzosen eipen
röthlichgrauen, ziemlich starken Esel ermittelt hatte, den ich
für den damals hohen Preis von fünf Maria-Theresien-Thaler
kaufte. Mein aus Europa mitgebrachter Sattel wurde von
meinem Diener gereinigt und in brauchbaren .Stand gesetzt,
während ich mit Herrn Munzinger einige Zeit beisammen war
und ihn beredete, mit mir einen Ausflug nach den Mokran-Ber-
gen zu machen. Der Gouverneur machte diesem und dem Pater
Stella viele Versprechungen, aber an Erfüllung derselben
hat er, wie es sich später herausstellte, nicht gedacht, so dafs
die beiden Herren genöthigt waren, zurückzukehren, ohne
Hülfe oder Genugthuung zu erhalten. Mein Diener Ali war
jetzt noch fleifsig und zeigte sich sehr aufmerksam. Die Nacht
verging ohne Störung, nur aus der Ferne klang zuweilen
das heisere Geheul der Hyänen herüber.
Freitag, den 25. November 1864. Vor Sonnenaufgang befanden
H err Munzinger und ich uns bereits vor dem östlichen
Thore, er zu Kameel, ich zu Esel. Von zwei bewaffneten Dienern
begleitet und mit Proviant nebst Wasser versehen, ritten
wir den vor uns liegenden Mokran-Bergen zu, um die höchste
Spitze derselben zu ersteigen. Die Berge (Djebel) Kassala