Die Bahnstrecke von Dresden über Prag und Brünn
nach Wien ist allzu bekannt, als dafs ich mich mit einer
Schilderung derselben aufhalten möchte, dafür mufs ich den
Leser mit meinem Gefährten bekannt machen, der ihn und
mich auf der ferneren Reise begleiten wird. Dieser von
Geburt ein Italiener, hatte Unteregypten und den östlichen
Sudan schon einige Male besucht und kannte diejSitten und
etwas von der Sprache jener Völker. Dieser Umstand, sowie
frühere Bekanntschaft mit diesem Herrn, bestimmten mich,
die beabsichtigte Reise mit ihm zusammen zu machen. Da
wir verschiedene Interessen verfolgten, so hat mein Reisegefährte
trotz vielen Aergers und mancher Verluste sein Ziel
erreicht, während ich anderen Zwecken huldigend durch die
Ergebnisse meiner ersten afrikanischen Reise zufrieden gestellt
bin. Uebrigens darf ich sagen, dafs wir uns im allgemeinen
recht gut vertragen haben, und, abgesehen von
kleinen Differenzen, im besten Einvernehmen auf demselben
Dampfschiffe wieder nach Europa zurückgekehrt sind.
Die kaiserliche Residenzstadt Wien erreichten wir am
nächsten Tage gegen 10 Uhr Morgens und begaben uns nebst
unserm Gepäck nach dem ISTordbahnhofs - Hotel in der Leopoldsstadt;
während des zweitägigen Aufenthalts kaufte ich
verschiedene Waffen, Seife, Lichte, Glasperlen etc.. für eigenen
Gebrauch oder für den Tauschhandel im östlichen Sudan
ein und machte Herrn Bergrath F.oetterle und Doctor Pollak
meinen Besuch. Von Letzterem, der mehrere Jahre in Kairo
gelebt, erhielt ich schätzenswerthe Mittheilungen, für die ich,
dieser angenehmen Pflicht gern nachkommend, meinen Dank
auszusprechen nicht unterlassen kann.
Seit meinem letzten Besuche fand ich Wien sehr verändert.
Die alte Donaustadt schien sich in verjüngenden Putz
werfen zu wollen. Die Festungswerke waren geebnet, und die
neue Ringsfrafse, damals freilich noch nicht beendet, schlang
sich wie ein Gürtel um die Stadt, mit imposanten Palästen,
privaten und öffentlichen Gebäuden geziert, wetteifernd mit
dem Glanze der Pariser Boulevards.
Auf den Strafsen selbst herrscht das regste Leben, alle
Volksschichten und'Nationen, darunter insbesondere Repräsentanten
der aufserdeutschen Elemente des Kaiserreichs sind
zahlreich vertreten und wogen in den alten,- engen, vielfach
sich kreuzenden und verschlungenen Strafsen auf und ab.
Hier geht die hochgeschürzte Tirolerin und der Wiener Oa-
valier, der lustige Böhme mit der Fiedel auf dem Rücken, der
stolze Magyar und der gemüthliche Baier, Wagen vom eleganten
Tilbury bis zum Karren des Gassenkehrers rasseln über
das Pflaster, — „ein jedes treibt sich an dem Ändern rasch und
fremd vorüber, und fraget nichts nach Deinem Schmerz“, einsamer,
vielgetretener Fufsgänger.
Und in der That bedarf es in den Arterien des Hauptverkehrs
grofser Vorsicht von Seiten der Passanten, um an den
Brücken und winklichen Ecken der Altstadt nicht überfahren
zu werden. Doch ist das Pflaster imAllgemeinen sehr gut, und
die Strafsen selbst sind auch ziemlich reinlich gehalten. Zu
ihren Seiten reihen sich Läden an Läden, meist hübsch und
für i das Auge geschmackvoll ausgestattet, dazwischen hie und
da stattliche Kaffeehäuser, deren Affichen dem ermüdeten
Wanderer ein rettendes Asyl aus dem chaotischen Menschengewühle
verkünden oder dem indolenten Residenzbewohner
in die kühlen Räume locken, damit er im Schatten der Marquisen,
bei einer Tasse duftenden Mokkatrankes im beschaulichen
dolce far niente sein Dasein verträume. In vielen Stücken
macht Wien den Eindruck des Genufssüchtigen. Der Wiener
ist bon-vivant und huldigt nur allzusehr materiellen Genüssen;
Mangel an Intellienz, an Gesittung und tieferer geistiger Bildung
schimmert oft grell aus der glatten, übertünchten Aufsen-
seite dieses Hauptstadtlebens hindurch.
Der Zug des Südbahnhofes entführte uns nach etwa zweitägigem
Aufenthalte der Residenz, und wir flogen vorwärts
über Wiener-Neustadt und Gratz dem Alpenlande zu. In vielen
Windungen zieht sich die berühmte Bahn von Glocknitz
aus über die Berge, bald hin überspringend über tiefe Felsspalten,
bald in langen Maulwurfsgängen sich durch das dunkle
Reich der Kobolde wühlend. Von Klamm aus hat der Reisende
einen schönen Blick ipi die tiefer gelegenen Thäler und
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