von mir überschrittenen Chors bilden aber selbstständige
Wasserbetten über den ganzen Landstrich hin und fliefsen alle
dem Atbara zu. Die scharf bezeichneten Uferränder weisen
auch auf ein gewisses Gefälle des Bodens, das sich von Osten
nach Westen erstreckt, hin. Alles berechtigt, wie schon bemerkt,
weit mehr zu der Bezeichnung „Hügelland oder hügeliges
Tiefland“ als zu dem Namen Baraka. Auch die Benen-
nung »Land der Shangalla“ ist auf vielen Karten verzeichnet.
Unter diesem allgemeinen Namen verstehen die Abyssinier
alle westlich wohnenden Völker, zunächst die benachbarten
Bazen-Völker, die zum gröfsten Theile rein afrikanischen Ursprungs
sind. Ja unter diesen Shangalla haben die Abyssinier
wohl nur die Bazen verstehen können, denn der weiter westlich
gelegene, von mir durchreiste Landestheil ist wegen Wassermangel
unbewohnbar. Wenn auch noch wilde Thiere in
diesem Landstriche aufgezählt werden, so mufs ich . dies
auf einige Straufse, Giraffen und Geier, die in der That in
dem Inneren Vorkommen, beschränken; drei geographische
Meilen, von den Flufsufern aus gerechnet, kommen dagegen
alle Wildarten, .wie Elephanten, Büffel, Antilopen, Gazellen,
Affen, Perlhühner u. s. w. mehr oder weniger vor.
Der ganze innere Distrikt, von dem Bergen Esehr bis zum
Berge Abu Gaml, ist als unbewohnbar zu betrachten. Die
Perlhühner und Giraffen, welche ich auf der Rückreise in der
Nähe des Chor el Gergaf antraf, lassen mich indefs vermuthen,
dafs jene Thiere in dem genannten Chorbett das nothwendige
Trinkwasser zu finden wissen, da sie ohne dasselbe nicht einen
Tag bestehen können. Sehr umfangreich mögen diese so leicht
versuchenden Wasser wohl nicht sein, sonst hätten einzelne
Eingeborene gewifs jene Orte ausgekundschaftet, um bei Tribut
Eintreibungen sich in die Wildnifs zu flüchten, oder ihren
Heerden neue Weideplätze zu geben. Der Weg, welchen ich
zurückgelegt, sowie einige andere Karavanensteige vom Sab-
derat nach Ombrequa, einem jetzt unbewohnten, verfallenen
Dorfe, sind den Homranern und anderen Araberstämmen bekannt.
Aus Furcht vor Räubern, besonders vor den kriegerisch
gewandten Bazen-Männern, mehr jedoch um die dürre
Steppe zu vermeiden, ziehen die meisten Karavanen an den
Atbara und dann an diesem herauf oder herunter nach dem
Setit. Wenn die Leute auch einen bedeutenden.Umweg machen
müssen, so bleiben sie doch in der Nähe des Wassers.
Dafs zu den Zeiten, als Burkhardt, Mehemed Beg oder Hamilton
und Didier am Atbara reisten, der genannte hügelige Landestheil
im Inneren bewohnt gewesen sei, mufs ich aus den
schön angeführten Gründen bezweifeln. Dafs in früheren
Jahrhunderten das Shangalla-Land von eingeborenen, afrikanischen
Völkern zu Wohnsitzen benutzt wurde, ist auch
nicht anzunehmen. Alle afrikanischen Urbewohner sind keineswegs
blofse Nomadenvölker, sie sind a u f längere Zeit sefs-
haft und brauchen da vor Allem Trinkwasser. Im allgemeinen
ist der genannte Landstrich gewifs nicht bewohnt gewesen,
wenn auch manche günstigen Stellen vielleicht von einzelnen
Familien benutzt worden sind, sich vor räuberischen
Nachbaren, die ihre Dörfer zerstörten, oder vor dem Bluträcher
in der dürren Steppe zu verbergen.
Keiner der Namen, „Land der Shangalla“ und „Baraka,
Barka oder Tiefland“ ist ganz bezeichnend, ich halte meine
Bezeichnung für richtiger und dem Charakter jenes Landes-
theiies entsprechender.
Nach diesem Exkurse kehre ich wieder zu meinen Reiseerlebnissen
zurück. Ich war noch etwa eine halbe Stunde
von dem zackig wilden Felsenberge Abu Gaml entfernt, als
sich die Sonne zum letzten Male in diesem Jahre am östlichen
Himmel erhob. Die Luft war von keinem Windzuge
bewegt; ich bemerkte im Osten einen abgerundeten Bergzug,
nordöstlich ragten mehrere Bergspitzen, Zacken und Felsenkämme
an dem Horizonte empor, nach Südosten, Süden
und Westen aber bedeckten Grassteppen und weitausgedehnte,
dunkele Gebüschgruppen die unabsehbare Ebene.
Die Strahlen der Sonne umflossen die ganze Umgebung
und brachen sich, gleich Kaskaden zur Erde niederschäumend,
in grofsartigen Lichtreflexen an den mannigfachen Gebilden
der Landschaft. Und die Natur, die bisher lautlos dagelegen,
erwachte nun unter dem wohlthätigen Einflüsse des