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Den ganzen Tag brachte ich mehr oder weniger in meiner
Hütte zu, um Sonnenuntergang ging'ich um einen Theil
des Dorfes und war endlich' froh, dafs dieser Tag üb erstanden
war. Als der Mond auf dem dunkelen Grunde der Himmelsdecke
immer heller hervortrat, sank die Temperatur
merklich, doch legte ich mich an gewohnter Stelle zur Ruhe
nieder.M
ontag, den 10. April 1865.’ Noch ziemlich früh vor
Sonnenaufgang betrachtete ich den während der Nacht ausgehängten,
181 Grad Reaumur zeigenden Thermometer. Etwa
fünfzehn Minuten vor dem Aufgang der Sonnne fiel er in
wenig Minuten auf 17| Grad und verharrte in diesem Stande
bis er kurz vor dem Erscheinen des ersten goldenen Streifens
am östlichen Himmel eine Höhe von 18 Grad armalm. Für
diejenigen Leser, welche sich wenig oder gar nicht mit Meteorologie
befafst haben, dürfte wohl die auf Thatsachen -gegründete
Notiz interessant sein, dafs bei normalen Luftzuständen
die gröfste Kälte stets wenige Minuten vor Sonnenaufgang
eintritt.
Kaum hatte ich mein Frühstück beendet, als ich aus
allen Gegenden über die nahen Höhen oder hinter den Grenzlinien
der niedriger gelegenen, öden Steppe Züge von Reitern,
Fufsgängern und lange-Karavanen hervorsteigen sah,
alle offenbar in der Absicht, den heute hier stattfindenden
Markt zu besuchen. Das lebendige Treiben der Marktbesucher
nahm von Stunde zu Stunde zu; viele Händler kamen mit
ihren Thieren und Waaren auch in unseren Hof und lieferten
etliche Waarenballen, Häute, Gummi und dergleichen ab.
Mein Diener, den ich in das Dorf gesandt, um nachzufragen,
ob der Schech von Doka zurückgekehrt sei, brächte
mir alsdann die Nachricht, dafs ich denselben auf dem Markte
finden würde. Ich begab mich nach dem nahe gelegenen
Platze und traf dort einen Offizier nebst zwei Soldaten, beschäftigt,
die zu Markt getragenen Waaren zu signiren; gegen
Erlegung von einem halben Piaster per Stück stempelten sie
die Baumwollenzeuge der Tuchhändler und theilten Marken
an die Verkäufer von Thieren oder anderer Gegenstände aus.
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Der Offizier schien nur für: seine lange Shibuk-Pfeife Sinn zu
haben, er liefs seine Untergebenen gewähren und schaute die
Umgebung gleichgültig an, Indefs erwiederte er meinen Grufs
und lud mich zum Niedersitzen ein.
Der Schech, von Eingeborenen und Sklaven begleitet,
kam danach heran, begrüfst-e uns und stand dem Offizier
Rede; auf meine Frage nach Kameelen erwiederte er, dafs
heute Thiere genug hier seien und versprach, dafs ich die
verlangte Anzahl nach Beendigung des Marktes erhalten solle.
Es war dies wieder eine Verzögerung, doch war ich froh, diesmal
bessere Aussichten auf den endlichen Erfolg meiner
Wünsche zu-haben.
Auf dem Marktplatze hatte ich denselben Anblick des
Lebens und Treibens, wie bei meiner ersten Anwesenheit vor.
etwa vier Monaten an dessen Schilderung im fünften Abschnitte
der Leser sich wohl erinnern wird.
Eines Umstandes muís ich aber gedenken, um zu zeigen,
wie wenig Verträge und Gesetze hier geachtet werden, wenn
sie der unbegrenzten Habsucht der Beamten wie der Privatpersonen
zuwiderlaufen,
Vor einem der Verkaufszelte standen, wohl acht oder
zehn schwarze,- fast ganz nackte Kinder beiderlei Geschlechts,
die von dem Sklavenhändler, der sich als Zeug- und Matei’ial-
Händler ausgab, zum Verkauf ausgestellt waren.
Durch meinen Diener und Dolmetscher fragte ich nach
dem Preise eines der schwarzen Knaben und erhielt die Antwort:
„ für Dich habe ich keine Sklaven zu verkaufen, denn
das sind alle meine Diener“, Auf die.Unwahrheit seiner Aussage
hinweisend, erinnerte ich ihn an das Sklavenverbot des
Sultans und deutete ihm mit einer Handbewegung an meinen
eigenen Hals an, dafs ich in Kairo von seinem Handel Anzeige
machen würde und er dafür gehängt werden könnte. Ich erhielt
zur Antwort: „0 nein! das geschieht nicht; denn die
Beamten sind meine Freunde, die meinen Bakshisz brauchen
und Kairo ist sehr weit“. Der Mann wufste sich in dem
Schutze seiner mächtigen Freunde sicher;- dqch als ich eine
Stunde später wieder an jenem Zelte vorüber kam, hatte ich