Meinen Kaffee hatte ich eben eingenommen und bereits
den Tag berechnet, wann ich in Kassala eintreffen würde, als
der ausgesendeie Diener mit der Nachricht zurück kam: der
Schech sei mit Sonnenaufgang nach dem fünf bis sechs Stunden
entfernten Doka geritten und sein Vekyl habe betreffs
der Kämeele für meine Weiterreise keinen Auftrag erhalten.
Meine ganzen Berechnungen fielen dadurch zusammen, doch
blieb mir nichts übrig, als geduldig den nächsten Tag abzuwarten,
an welchem der Schech von seinem geschäftlichen
Ausfluge zurück kehren sollte.
Als ich später mich zu einem der griechischen Händler
begab, um einen Auftrag von meinem Reisegefährten an ihn
auszurichten, hörte ich an seiner Wohnung, dafs auch er nebst
noch drei anderen Griechen abgereist sei, und zwar nach Kar-
thum zum Einkauf neuer Waaren. Viele Artikel, wie Zucker,
Seife, Oel u. s. w., waren seit einigen Tagen auf einen sehr
hohen Preis gestiegen, so dafs die spekulirenden Krämer unglaubliche
Geschäfte machten und im Durchschnitt sechszig
bis achtzig, oft auch über hundert Procent reinen Gewinn da-,
von trugen. Da oft die Vorräthe dieses oder jenes Handelsartikels
ausgehen und die Nachfrage nach ihnen immer grofs
ist, so ist es möglich, wenn man auch nur ein kleines Kapital
in Waaren anlegt, zu gewissen Zeiten grofsen Vortheil daraus
zu ziehen.
Der Handel El Quedarefs hängt indefs nicht lediglich
von der Einfuhr einzelner Produkte und Waaren des Auslandes
ab, die von hier aus in der Umgegend weiter abgesetzt
werden, sondern gerade die inländischen Erzeugnisse, Durra,
Baumwolle und Gummi sind die Artikel, welche hier vorzugsweise
zu Markte kommen. Wie schon früher bemerkt, sind
die Eingeborenen so unklug, ihre Ernährung nur von dem
Gerathen der Durra abhängig zu machen, so dafs, wenn Mifs-
wachs und Dürre eintritt oder Heuschrecken die Ernte vernichten,
nothwendiger Weise furchtbares Elend über die Bevölkerung
hereinbricht und oft Tausende von Bewohnern
durch Hunger und durch Krankheiten, die dieser stets in seinem
Gefolge hat, umkommen. Der mohamedahische Fatalist
macht sich jedoch selten eine Sorge um die Zukunft, und es
fallt selbst der Regierung nicht ein, in gesegneten Erntejahren
das überflüssige Getreide in Magazinen aufzubewahren. In
solchen guten Zeiten werden alle Thiere bis zur Ziege herab
reichlich mit Durra gefüttert und das Getreide in unverantwortlicher
Weise vergeudet, während man im nächsten Jahre
sich vergeblich nach jenem verschwendeten Ueberschusse
sehnt, der genügt hätte, den Herrn und seine Familie von
dem bitteren Hungertode zu retten.
Durch meinen Gastfreund, mit dem ich mich mühsam in
arabischer Sprache unterhielt, erfuhr ich später, dafs im Dorfe
Sufi Dr. Ori sich aufhalte, auf Befehl des Vicekönigs von seiner
ärztlichen Station für mehrere Monate beurlaubt, um mit
italienischem Golde auf Rechnung seines Gebieters verschiedene
Thiere, als Elephanten, Giraffen, Antilopen u. s. w., für
die zoologischen Gärten von Turin und Florenz einzukaufen.
Aufserdem erhob mein Wirth noch eine Schuldforderung
an den Nachlafs des verstorbenen Muche über gelieferte
Waaren im Betrage von sieben Maria-Theresien-Thalern,
worauf ich ihn dahin beschied, seine Ansprüche bei dem
Konsulat in Karthum nachweisen und zu erheben.
Die übrige Zeit des heutigen Tages verwendete ich zu
allerlei schriftlichen Arbeiten. Die Nacht brachte ich auf
einem Angereb vor der Thüre meiner Hütte zu, über mir das
Himmelszelt, dessen zahllose Lichter auf den ihnen bekannt
gewordenen Schläfer freundlich herab blickten.
Sonntag, den 9. April 1865. Nach dem Frühstück begab
ich mich mit einem Diener in das nahe Dorf. Den Vekyl des
Schechs konnte ich nirgends finden und mufste unverrichteter
Sache, voll Grimm und Aerger über die saumseligen,
schläfrigen Beamten, wieder in meine Wohnung zurückkehren.
Ich hätte diese türkischen Schmarotzer bis in den Abgrund
der Hölle verwünschen mögen, solch bitteren Groll
empfand ich gegen sie, gegen El Quedaref und seine Bewohner
überhaupt. Aber in meiner hülflosfen, abhängigen Lage
half mir alle meine Ungeduld nichts, ich mufste mich in die
Umstände fügen und warten.