Die Landspitze ist felsig und fällt ziemlich steil an das Meeresufer
herab, ein hoher Leuchtthurm erhebt sich hier, und
Festungsmauern krönen die Höhen, aus deren Schiefsscharten
die drohenden Mündungen von Kanonen düster hervorstarren.
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Nachdem wir unsere erste tägliche, kleinere Mahlzeit
beendet und ich wieder auf das obere Deck trat, fuhr der
Dampfer gerade unter den Festungswerken, an einigen, felsigen
Untiefen vorüber, und nach Westen, dem Eingänge des
geräumigen Hafens zu. Die Flagge unseres Dampfschiffes
wurde aufgezogen und vom Lande mit einem Kanonenschüsse
begrüfst, darauf antwortete von dem Vorderdecke der Schiffsböller,
und in langsamem Tempo wendete sich nun das Schiff.
Die Maschine hörte auf zu arbeiten und die Ankerketten polterten
rasselnd in die Tiefe. Die gelbe Flagge wurde aufge-
hifst, und ein Wachtboot mit gleichfarbigem Zeichen näherte
sich uns von dem Lande aus,, um in unserer Nähe zu bleiben
und jeden Verkehr mit den Bewohnern der Stadt zu verhindern.
Hier sollte der gröfste Theil der Passagiere und Waa-
renballen an das Land gebracht werden. Ein lebhaftes Treiben"
begann, zusammengehäufte Gepäckstücke bedeckten bald,
einen Theil des oberen Decks, die Eigenthüixer safsen erwartungsvoll
dabei, dasselbe bewachend. Von dem Wirrwar
auf dem Deck lenkte ich meinen Blick hinweg auf die Stadt,
welche amphitheatralisch an dem steilabfallenden Ufer erbaut
ist. Sie erstreckt sich in westlicher Richtung über die Berge
und ist nach allen Seiten von hohen Mauern und Festungswerken
umschlossen.
Das grofse Arsenal, das Zollhaus, die Munizipalität, viele
Kirchen, einige Klöster, die Eisenbahnstation, Quarantäne und
viele grofse Magazine sind bemerkenswerthe Gebäude, einige
der gröfsten stofsen dicht an den inneren Hafen an.
Die gefürchtete Cholera war seit zwei Tagen in der Stadt
ausgebrochen, und fünfzig Menschenleben waren derselben
bereits zum Opfer gefallen. Nur dem ersten Kapitän war es,
unter Anwendung aller Vorsichtsmafsregeln, gestattet, in seinem
Boote an die Küste zu fahren, dort die Briefschaften aus
Egypten abzugeben und ein Postfelleisen zurückzunehmen.
In unserer Nähe lagen mehrere Handelsschiffe, doch schien zu
jener Zeit kein lebhafter Verkehr zu herrschen. Mehreren
Frucht- und Gemüse-Händlern wurde das Anlegen an unserem
Dampfer Von dem Wachtboote untersagt} und nur mit
Schwierigkeit und unter ängstlichen Formalitäten gestattet,
einen Korb mit Wein, frischem Brot und anderen Lebensmitteln
an Bord zu holen. Der aus dem kleinen Boote heraufgezogene
Korb mufste auf Deck bleiben, auch durfte heute
keine Zahlung erfolgen, sondern nur Rechnung aufgestellt
werden. In dem inneren Hafen und an dem Ufer waren Leben
und Verkehr nicht ganz erstorben, aber das Bewufstsein,
die Cholera sei in der Stadt, dazu die gelbe Quarantäneflagge
und das ernste Todtengeläüte, das öfters von den Kirchthür-
men herab an das Ende aller irdischen Herrlichkeit mahnte,
beängstigte die Bewohner, die bleiche Furcht lag wie ein Alp
auf allen Gemüthern.
In den Nachmittagstunden kam die Frau de;s ersten Kapitäns
und zwei andere Personen als Passagiere an Bord unseres
Dampfers. Da hier Alles' gesund war und in Ankona
sich ihr keine gröfsere Sicherheit darbot, wollte die Frau gleiches
Geschick mit ihrem Manne theilen. Später näherte sich
von dem inneren Hafen ein schwerfälliges, altes Lichterfahrzeug
und legte an Bord unseres Dampfers an; das Gepäck der
uns hier verlassenden Mitreisenden wurde darauf geladen, ihm
folgten dessen Besitzer. Die dicht gedrängte Schaar vertheilte
sich, so gut es ging, auf dem Verdeck und nahm unter Scherzen
und mit lautem Hurrah von uns Abschied, um nach der
Quarantäne zu fahren. Dasselbe Schicksal erwartete mich in
Triest, wo die Quarantänegefangenschaft nur vielleicht noch
länger dauern konnte, eine unangenehme Aussicht, wodurch
meine Weiterreise wesentlich aufgehalten werden mufste.
Zur bestimmten Zeit setzte sich unsere Gesellschaft, nur noch
aus sechs Köpfen bestehend, zur Mittagstafel, unsere Lage
ward besprochen, man hegte Furcht und Hoffnung vor der
Zukunft, endlich wurde man darin einig, in Ruhe das Weitere
abzuwarten.