Zeit Herrn K., der wieder vergeblich zum Einkauf von Lebensbedürfnissen
an das Festland gefahren war, vor der Stadt
aber ein lebendiges Schaf aufgetrieben hatte. Das Thier
wurde geschlachtet und wir hatten nun viel Fleisch, was mir
aber im Augenblicke höchst gleichgültig war, da ich mich
körperlich nicht wohl fühlte. Zur Arbeit nicht aufgelegt, begab
ich mich Abends wieder in das Kaffeehaus und hörte
dort, dafs acht Leute an der Cholera gestorben seien. Zugleich
verbreitete sich aber auch die frohe Nachricht, dafs
ein grofser Dampfer in Sieht sei, und ich selbst erblickte wirklich
in ONO. die Masten eines Schiffes.
Sonntag, den 18. Juni 1865. Vor Sonnenaufgang hatte
ich mein Frühstück beendet, dann eilte ich mit meinem Reisegefährten
an das östliche Meeresufer, von welcher Seite der
stattliche Kriegsdampfer herankam. Etwa sechshundert
Schritte von der Insel hielt er an und ankerte in der Bücht
des Meereskanales. Ein Boot von dem. Schiffe brachte viele
Neuigkeiten mit, unter ändern die Nachricht^ dafs in Kairo
und Alexandria in den letzten Wochen die Cholera sehr heftig
gewüthet habe. Da man erfuhr, dafs die Cholera auch
hier sei, so wurde eine möglichst ängstliche Absperrung zwischen
dem Kriegsschiffe und dem Lande inne gehalten, erst
später, als ich Mumtas Efendi wieder besuchte, hörte ich weitere
Nachrichten. Das Kriegsschiff Ibrahimia wechselte nun
zum Empfange einundzwanzig Kanonenschüsse mit den beiden
Geschützen auf der Insel, aber. Niemand wurde von dem
Lande aus, der gefürchteten Cholera wegen, an Bord gelassen.
Das Kriegsschiff sollte Truppen dislociren und die hier sta-
tionirten Soldaten nach Suez zurückbringen, denn die türkische
Regierung hatte, gegen Entschädigung, die Häfen und
Zölle von Masaua und Sauakin an die egyptische Regierung
abgetreten. Die bisherigen höheren Beamten sollten abberufen
und diese allgemeine Veränderung bald vorgenommen
werden.
Als die Sonnenhitze drückend wurde, zog ich mich, meines
körperlichen Unwohlseins wegen, in meine . Wohnung zurück.
Alsbald stellten sich Krämpfe und heftige Gliederschmerzen
ein, eine allgemeine Schwäche bemächtigte sich
meiner, es blieb mir kein Zweifel, was mir fehlte. Ich brachte
in Erfahrung, dafs am heutigen Tage wieder aeht bis zehn
Menschen an derjenigen Krankheit gestorben waren,’von der
ich nicht weit entfernt war, und ich mufste alle meine geistige
Energie aufbieten, um mich nicht von dem Uebel entmuthi-
gen und niederwerfen zu lassen. Wie oft sagte ich mir: »Bis
hierher habe ich alle Strapazen überstanden und nun ermatten
meine Kräfte; aber noch lebe ich und nimmermehr sollen
meine Gebeine in afrikanischem Boden bleichen, ich will; ich
mufs nach Europa kommen. Nur keine Furcht, entschlossen
dem körperlichen.Leiden die Spitze geboten.“ Doch ich will
den Leser hier nicht weiter mit meinen Reflexionen, Hoffnungen
und Befürchtüngen belästigen, aber ich litt, um es kurz
zu sagen , an jener blutigen, meist tödtlich verlaufenden Dysenterie.
Nachdem ich die Nacht unter vielerlei Störungen
und Schmerzen überstanden hatte, sann ich auf Mittel, meine
Krankheit zu bekämpfen. Doktor und Apotheker konnten
mir nicht helfen, denn es gab hier keine, von Heilmitteln stand
mir nichts zu Gebote und die Furcht vor der Seuche und die
Hoffnung, mit dem Kriegsschiffe bald davon zu kommen, nahmen
die Gedanken Aller, auch meiner europäischen Bekannten,
dergestalt ein, dafs ich mir selber helfen mufste.
Montag, den 19. Juni 1865. Meine körperlichen Kräfte
waren 'sehr herunter gekommen, ich fühlte mich sehr ermattet,
doch baute ich auf meine sonst gute Natur und war auf
Nahrung bedacht. Den ganzen Tag trank ich kein Wasser,
sondern nur schwarzen Kaffee, "afs viel Johannisbrot und
kochte mir in Gummiwasser Reis, den ich mit Zucker bestreute
und so verzehrte. Ein tiefer Schlaf stärkte mich während
der heifsesten Tageszeit.’ Später afs ich einige Datteln,
etwas Schiffszwieback und den Rest des in Gummiwasser gekochten
Reisgerichtes. Obgleich noch sehr schwach und zu
nichts aufgelegt, spürte ich doch am Abend schon eine Besserung
meines kläglichen Zustandes. Als die Nacht eintrat,
hüllte ich mich recht warm ein und erfreute mich einer guten
Ruhe.