wollen, kann ich nicht entscheiden, soviel aber kann ich keck
behaupten, dafs die' ganze Anstalt sich in dem elendesten Zustande
befindet, die von mir aufgeführten Thatsachen können
dafür Zeugnifs ablegen.
Mit Anbruch des vorletzten Tages der festgesetzten Quarantänezeit
mufsten wir unser Gepäck öffnen und alle Stücke
auf dem Hofe ausbreiten oder dem freien Luftzutritte aussetzen.
Dieser Mafsregel wurde die geringste Kleinigkeit unterworfen,
indem der Wächter in minutiösester Weise unsere
Effekten revidirte und nichts uneröffnet liefs, worin sich der
gefürchtete Cholerastoff hätte , bergen können. Dafs derselbe,
durch die Luft foitgetragen, sich eben so gut in der benachbarten
Landschaft festsetzen konnte, wurde nicht berücksichtigt,
aber man genügte so auf billigstem Wege dem Buchstaben
der Instruktion, während doch eine vorgenommene Räucherung
jedenfalls wirksamer gewesen wäre, wenn dergleichen
Operationen überhaupt als erfolgreich angesehen werden
können.
Mittwoch, den 9. August 1865. Das herrlichste Wetter
lachte von dem blauen Himmel, und die Sonnenstrahlen, die
über die hohen Mauern der Quarantäne-Anstalt hereinschauten,
schienen uns Glück zu wünschen, dafs uns heute die
Stunde der Erlösung schlagen werde, wo wir aus den düstern
Käfigen, die sie nicht einmal zu betreten Lust hatten, entlassen
werden sollten. In eifriger Geschäftigkeit wurden die
Kasten und Gepäckstücke zu dem nahen Auszuge vorbereitet,
die Kosten des Quarantäne-Aufenthaltes waren zu erlegen,
dann verliefs ich ohne schmerzliches Gefühl den Ort
meiner Leiden. Ich war wieder um eine gern entbehrte Erfahrung
reicher geworden.
Es war nach zwei Uhr Mittags, als das grofse Thor sich
uns geöffnet hatte. Alle meine ehemaligen Mitbewohner ver-
liefsen mich, ich liefs sofort mein Gepäck auf einen Karren
laden und zur nahen Eisenbahnstation fahren. Dort besorgte
ich das Nöthige und begab mich in das mir bekannte Gasthaus,
wo ich mich an einem guten Mahle stärkte und meine
Rechnungen für die Zeit meines Quarantäne-Aufenthaltes bezahlte.
Dann nahm ich von meinem bisherigen Reisegefährten
Abschied, da ich noch heute um sechs Uhr Abends direkt
bis in meine zeitweilige Heimath reisen wollte.
Gleichgültig schweiften meine Blicke über die Menge vor
dem Bahnhofe, bis das Signal zum Einsteigen ertönte und die
Thüren der Wärtesäle geöffnet wurden. Meine Gedanken eilten
dem Zuge auf dem weiten Wege voraus, und ungeduldig
lauschte ich auf den gellenden Pfiff der Dampfpfeife, die das
Zeichen der Abfahrt gab. Der Zug setzte sich langsam in Bewegung,
und als wir über die Quarantäne fuhren, blickte ich
nochmals in den Hof hinab', wo ich die letzte Woche auf eine
so traurige Weise verlebt hatte. Mit welcher Freude hatte ich
doch vor etwa eilf Monaten den lang entbehrten Anblick des
Meeres und die neue, sich vor mir aufschliefsende südlichere
Hemisphäre begrüfst. Welche Hoffnungen und welche hoch-
fliegenden Pläne füllten damals mein Herz, als ich die Heimath
verliefs und dem afrikanischen Kontinente zueilte. Als ich
im April dieses Jahres Matama verliefs, um den Rückweg anzutreten,
wie schwer wurde mir die Rückreise, da ich noch
gern weiter in den geheimnifsvollen Erdtheil eingedrungen
wäre. Jetzt, nachdem ich über zweitausendzweihundert deutsche
Meilen zürückgelegt hatte und in der Erinnerung die
Strecke überflog, beseelte mich nur der einzige Wunsch:
Vorwärts, so schnell wie möglich der Heimath zu! Bei meinem
geschwächten Körper war es etwas verwegen und unklug,
durch eine anhaltende Reise demselben zuviel zuzu-
muthen, aber mein Wille besiegte alle Rücksichten, bis Wien
gedachte ich zunächst auszuhalten. Als mein Blick zum letzten
Male über den in Schatten liegenden Spiegel des adriati-
schen Meeres glitt und die brausende Lokomotive uns in das
öde Berggelände hinauf schleppte, versank ich in Gedanken,
zugleich berechnete ich, wann ich unter den günstigsten Umständen
in Dresden ankommen konnte. Während der darauf
folgenden Nacht, fügte es ein guter Zufall, dafs ich mich nur
noch mit einem Pässagier in dem Coupé zusammen befand,
so konnte ich mehrere Stunden ruhig,schlafen. Als ich das
Wagenfenster um Sonnenaufgang öffnete, blies mir ein kalter,
TX