Dienstag, den 20. Juni 1865. Ich erwachte zu der gewöhnlichen
Zeit und sah mich aus angenehmen Traumbildern,
die mich in die Heimath geführt hatten, der Wirklichkeit
zurückgegeben und an mein körperliches Befinden erinnert.
Eine Besserung war seit dem gestrigen Tage entschieden
eingetreten, und nach meinem Frühstück war ich schon
im Stande, mir die Debarkation einiger Truppen anzusehen.
Die Soldaten mufsten zum Theil durch seichte, vom Meerwasser
überfluthete Stellen hindurchwaten und rückten unter
Trommelklang und Pfeifenschall an das von zahlreichen Zuschauern
bedeckte Ufer. Einige hundert Mann wurden auf
diese Weise“ ausgeschifft und bezogen sofort auf dem Festland
ein Lager dicht bei der Kaserne. Ein Westwind hüllte die
Berge in Nebel ein und erfrischte die Luft in der Frühe mit
seinem kühlen Hauche, bis später die Sonne wieder ihre Rechte
geltend machte. '
Unter den schlecht genährten und mangelhaft bekleideten
Eingeborenen wählte die Cholera zahlreiche Opfer, und zwar
besonders auf dem Festlande, während ihr nur wenige Inselbewohner
erlagen. Nachdem die gröfste Hitze vorübergegangen,
fuhr ich mit Herrn K. an das Festland, wo der Letztere
eine Heerde von hundertundsiebenzig Stück Schafen hatte,
aber er fand nur noch fünfundsechszig mager und elend aussehende
Thiere wieder. Von einigen Leuten aus Tokar und
den nahen Gebirgen erfuhren wir, dafs die Regierung in ganz
gleichem Yerhältnifs von dreitausend Stück Ochsen und Kühen
die gröfsere Hälfte aus Mangel an Nahrung verloren hatte.
Nach der Insel zurückgekehrt, hörte ich, dafs auch hier wieder
mehrere Leute an der Cholera gestorben seien und ebenso
auf dem Kriegsdampfer die Seuche um sich greife.' Um Sonnenuntergang
pflog ich alsdann in meiner Wohnung einer längeren
Unterredung mit meinem Reisegefährten, allerlei Pläne
wurden für die Zukunft gemacht bis wir uns ermüdet auf die
Lagerstätten zur Ruhe begaben.
Mittwoch, den 21. Juni 1865. Da ich noch immer mehr
oder weniger von körperlichen Schmerzen und grofser Schwäche
geplagt wurde, fühlte ich durchaus keine Neigung zu
schriftlichen Arbeiten, ich schlenderte vielmehr durch alle
Gassen, Plätze und wüste Stellen der Insel, so langé die Sonne
es gestattete. An dem östlichen Inselufer sah ich einzelne
Boote von dem'Kriegsdampfei in die tiefblaue Meeresfluth
hineinstofsen, auch das Kommandantenboot wurde hinabgelas-
sen, um einige Offiziere, da wo Mumtas Efendi wohnte, an das
Land zu bringen. Der Kriegsdampfer, hatte auch die günstige
Nachricht mitgebracht, dafs ein Dampfschiff von Suez nach
Djidda gefahren sei und in einigen Tagen hierher kommen
werde; aber vergeblich schweifte mein Blick auf das Meer
hinaus, nur weifse Wogen brachen sich schäumend an den
Korallenriffen. Weder Rauchwolken, noch ein schwarzes
Pünktchen liefsen sich trotz der klaren Luft an dem Horizonte
gewahren, die die Ankunft des lang erwarteten Dampfers verkündet
hätten. Länge Zeit exercirten auf dem Festlande kleine
Truppenabtheilungen, was als ein seltenes Schauspiel viele
Zuschauer herbeilockte.
Mein körperlicher.Zustand veranlafste mich bald in meine
Wohnung zurückzukehren, da ich nicht nur von grofser
Schwäche befallen wurde, sondern auch heftiger Krampf sich
wieder einstellte. Ich hielt unausgesetzt strenge Diät und
versagte mir möglichst den Genufs von Wasser. Abends befand
ich mich dennoch in dem Kaffeehause an dem Meere und
vernahm, dafs eine gröfsere Anzahl von Einwohnern jetzt täglich
der Cholera erlägen. Ohne durch diese Nachricht, trotz
meines eigenen, sehr zweifelhaften Zustandes, erschreckt zu
werden, spannte ich alle meine Willenskraft gegen die Gefahr
an und nahm mir fest vor, mich der Furcht und Muthlosigkeit
um so weniger zu ergeben, als die Eingeborenen und meine
Begleiter dergleichen niemals an mir bemerkt hatten. Waren
meine Schwäche und meine Schmerzen auch noch so empfindlich,
so war ich doch gefafst, und mein ernster Wille liefs mich
nicht an die gefährliche Lage meines kranken Körpers denken.
Denn Kopf Verloren, Alles verloren.
Donnerstag, den 22. Juni 1865. Aus einem erquickenden
nächtlichen Schlummer wurde ich um Sonnenaufgang
von klagenden Weiberstimmen erweckt, O die in dem Nachbar