sonders bei derjenigen Art des Kletterns,' wie es z. B. die Australier beim Ersteigen
hoher und dicker Bäume ausführen. Hierbei wird die unzweifelhaft sehr starke Belastung
fast ausschließlich den äu ßeren Kondylus treffen. Es ist nun in hohem Grade
interessant, daß besonders beim Neandertaler vom äußeren Kondylus, welcher in der
Richtung von vorn nach hinten bedeutend länger ist, als beim recenten Menschen, worauf
Klaatsch aufmerksam gemacht hat, ein sehr starkes Trajektorium bogenförmig
zur inneren Diaphyse zieht. (Vergl. Fig. 26 u. 37.) Die Konvexität der Knochenbälkchen
liegt nach unten, ist also ganz a n a lo g den Trajektorien, wie ich sie für das tibiale
Ende der A n th rop om o rp h en als typisch beschrieben habe. Ja diese bogenförmigen
Trajektorien sind selbst vom inneren Kondylus zur äußeren Diaphyse Wenn auch
weniger steil aufsteigend, vorhanden. Die Spongiosabälkchen dieser Trajektorien sind
besonders beim Neandertaler stark ausgeprägt, während sie im Spyfemur sichtlich beim
Zusammenhängen der Bruchenden zerstört und nur seitlich hoch angedeutet sind. Wir
haben hier also eine deutlich p ith e k o id e Struktur des tibialen Femurendes vom
diluvialen Menschen vor uns, mit welcher die gelegentlich vorkommenden zarten
transversalen Bälkchen im Femur des zivilisierten Menschen an Quantität auch nicht
im entferntesten konkurrieren _ können.
Mit diesen bogenförmigen Trajektorien hängt auch die geringere „Trompetenform“
des tibialen Femurendes des Diluvialmenschen zusammen. Es fand bei demselben
eine weit größere T ran s v e rs a lb e la s tu n g statt als wie beim heutigen Menschen. Eine
stärkere Kletterfunktion könnte zu der Erklärung dieser unzweifelhaften Tatsache wohl
herangezogen werden. Wie Klaatsch bemerkt, ist beim Erklettern einzeln stehender
dickerer Bäume die Greiffunktion des menschlichen Fußes bei der Art, wre sie z. B.
die Australier betreiben, bedeutungslos (Siehe Klaatsch, Weltall und Menschheit). „Der
Fuß kommt nur noch als Ganzes in Tätigkeit und an seinen Innenrand werden ganz
besondere Anforderungen gestellt. Denken wir uns den alten Primatenfuß in eine solche
Situation, so erkennen wir, daß das Anpressen des inneren Fußrandes die freien Bewegungen
der Großzehe aufhebt. Durch die so erzeugte Gewölbebildung aber gewinnt
die Fußsohle die Bedeutung eines Saugnapfes.“ Ich glaube, daß auch in dieser Stellung
doch ein großer Druck besonders im Unter- und Oberschenkel allmählich nach
außen gelegt wird. Für eine gewisse Entscheidung müssen hier aber erst Strukturaufnahmen
von solchen heutigen niederen Völkern vergleichend gemacht und die
Beziehungen der Knochen der gesamten unteren Extremität festgestellt werden.
Da bei jener Art von Klettern die große Zehe nicht besonders beansprucht wird,
sondern auch die äußere Seite der Extremität durch Anlegen möglichst der ganzen Fußsohle
an den Stamm mindestens ebenso stark beansprucht werden muß, so könnte die
funktionelle Struktur der diluvialen Femora sehr wohl auf jene Funktion zurückgeführt
werden können. Die Bogenkonstruktion der Spongiosa von den Kondylen zur gegenüberliegenden
Diaphyse wird aber auch bei dem noch heutzutage im Lande üblichen
Klettern entstehen können. Denn unsere Kletterschlußsteilung beansprucht besonders
die laterale Seite des Kniegelenks ganz bedeutend.
Eins steht jedoch jedenfalls fest, die normalen Funktionen des diluvialen menschlichen
Oberschenkels waren von denjenigen heutiger hochzivilisierter Völker bedeutend
versch ied en . Daß bei der etwas gebogenen Normalstellung der Kniegelenke eine
große Biegung nach vorn in der Diaphyse erfolgen mußte, erscheint bei dieser eigenartigen
statischen Belastung nicht wunderbar; die aber gleichzeitig vorhandene s t a r k e t r a n s v
e r s a le Belastung, welche wahrscheinlich erst durch die gebogene Kniestellung so
ausgiebig zur Geltung kommen konnte, schuf in Folge der nun möglichen vielseitigen
Beanspruchung eine äußere Form des tibialen Femurendes und besonders des Schaftes,
welche heutigen Formen nur wenig entspricht. Die diluvialen Femora waren mehr
a b g e ru n d e t , weil die transversale Belastung eine Ersparnis von Baumaterial nicht
so zuließ, wie der heutige Gang des Menschen. Es überwiegt aber trotz der teilweisen
pithekoiden Struktur die allgemein menschliche äußere Form, weil der aufrechte
Gang verbunden mit der enormen Belastung der unteren Extremitäten vorhanden war,
welchem auch die Epiphysen ihre mächtige Entwickelung verdanken. Besonders auf
die enorme Vergrößerung der Kondylenlänge hat Klaatsch hingewiesen. Durch die
Transversalbelastung ist die poplitaeale Region der diluvialen Femora etwas niedriger
und breiter, und das planum poplitaeum leicht konvex, weil infolge der Kreuzung der
bogenförmigen Trajektorien nicht eine Verminderung des Baumaterials sondern sogar
eine Vermehrung eintreten mußte. Sie ähneln darin der Femur-Form der Anthropomorphen,
deren Transversalbelastung allerdings ganz bedeutend größer ist. Das wird
bewiesen durch den großen t r a n s v e r s a le n Durchmesser des unteren Affen-Femur
und durch die bogenförmigen Trajektorien, welche in die Diaphyse sehr hoch hinauf
reichen. In fo lg e d e s s e n k an n au ch b e i den A n th r o p o rm o r p h e n w e d e r
e in e g r ö ß e r e B ild u n g der L a b ie n noch eine P i la s t e r b i ld u n g statthaben, weil
der V e r tik a l- und Sagittaldruck nicht wie beim Menschen vorherrscht. Es kann auch
bei ihnen und noch dazu bei der Schmalheit des Beckens kein größerer Unterschied
in der Belastung und Ausbildung der Kondylen entstehen, sondern der Maximaldruck
kann durch die ausgiebige Benutzung des Greiffußes an der medialen Seite verlaufen.
Damit ist sogar Gelegenheit zur Vergrößerung des medialen Kondylus gegeben.
Die durch die Röntgenaufnahmen nachgewiesene Transversalbelastung der
.Neandertalfemora ist also der Schlüssel Zu ihrer Eigenschaft, daß sie plumpe,'wenig