Solange der Trochanter durch Epiphysenknorpel noch von seiner Unterlage
getrennt ist, ist die Träjektorienbildung gewöhnlich in ihm häufig noch gering. Später
tritt neben der Radkonstruktion noch besonders ein starkes Trajektorium in seiner Längsachse
hervor, welches vom Glutaeus mediüs herrührt. Dieser Muskel ist bei den Anthropo-
morphen gewöhnlich äusserst kräftig entwickelt. Damit hängt wohl die oft bedeutende
Längenentwickelung des Trochanter selbst zusammen, wie sie dem schlanken Femur des
Hylobates eigen ist. Der Gorilla hat daneben auch eine bedeutende Breitenentwickelung
des Trochanters. Röntgenaufnahmen beweisen das Vorhandensein eines enormen Trajek-
toriums, welches sich nahe von der Spitze des Trochanters bis zur Insertion des
glutaeus maximus gradlinig erstreckt. Durch diese Struktur und äussere Form wird die
kräftige Funktion des Glutaeus medius als Abduktor und zur Außen- und Innenrollung
dokumentiert, welche der Affe bei seinem Baumleben sehr häufig ausführen muß,
während der Mensch seine unteren Extremitäten in dieser Richtung weniger beansprucht.
Jedenfalls spricht auch die ganze Struktur des koxalen Femurendes bei den
Anthropomorphen durchaus gegen die Krantheorie. Erstere bildet in ihrem Verhalten
ein Zwischenglied zwischen der Struktur" des menschlichen Femur, welche das
Resultat des vollständig aufrechten Ganges ist, und derjenigen der wahren Vierfüßler..
Bei letzteren steht das ganze Darmbein immer nahezu im rechten Winkel zum Femur.
Viele Tiere können deshalb ohne größere Tätigkeit oder gar Anstrengung der Hüft-
muskulatiir stehen, da alle Knochenelemente eine möglichste Parallelität des Vertikaldruckes
haben. Der letztere bei den Vierfüßlern ist an und für sich nicht groß. Das
Becken ist schmal, die Pfannen liegen nahe aneinander. Der Schenkelhals ist deshalb
kürz und möglichst grade, die Beckenmuskulatur gering, der bewegende Trochanter
gewöhnlich klein. Die Struktur des koxalen Femurendes zeigt fast gleichmäßige
Druckbälkchen in jedem Abschnitte. -
Eine stärkere Entwickelung der vorderen Extremitäten in der Länge bewirkt
natürlich schön eine größere Belastung der hinteren. Die vermehrte statische Belastung,
welche letztere alsdann erfahren, vergrößert das Kreuzbein, die Pfannen werden durch
Verbreiterung des Beckens voneinander entfernt, wodurch eine größere Stabilität in
einer halb aufrechten Stellung, wie sie für die Affen bei ihrer Fortbewegung häufig vorkommt,
erzielt wird. Dabei wird auch der Schenkelhals mehr gekrümmt, der Trochanter
und die Hüftmuskulatur stärker ausgebildet. Die zeitweise Aufrichtung des Rumpfes
bei gelegentlich kletternden Tieren, z. B. den Bären, schafft Anfänge an äußeren
Formen, aber auch an inneren Strukturen, wie sie sich schon stärker beim Affen, ganz
speziell aber im menschlichen Femur bei voller Aufrechthaltung des Genus vorfinden.
Die Entwickelung der Hüftmuskulatur hält gleichen Schritt, ebenso das Kreuzbein,
welches in seinem ersten Wirbel immer kräftiger angelegt wird, selbst wenn es in den
übrigen degeneriert. Denn der erste W irbel bildet nun den Schlußstein eines Gewölbes,
auf welchem ein ganz bedeutendes Gewicht ruht Das Kreuzbein selbst wirkt aber
gleichzeitig durch letzteres wie ein Keil auf die beiden Beckenhälften.
Ich möchte hier gegenüber der Krantheorie noch zwei Fragen aufwerfen,
welche sehr in Betracht gezogen werden müssen. Die eine lautet dahin, wie es möglich
ist, daß oberhalb jenes bogenförmigen Zugtrajektoriums der Krantheorie besondere
Trajektorien liegen können, ohne daß dieselben beeinflußt werden, und zwar sowohl
im Trochanter, wie im Kopfe, wo ich überall gradlinig verlaufende Trajektorien nachwies.
Die zweite anatomische Schwierigkeit für die Anhänger der Krantheorie ist der
Umstand, daß das koxale Femurende keinenfalls ein mathematisch er Kran ist. In
der CüLMANNSchen Konstruktion ist gerade der Trochanter major, welcher bei der
Krankonstruktion infolge seiner Lage, Größe und Gestalt zum mindesten schon statisch
beeinflussen muß, einfach „als ab g e b ro ch en g ed a ch t" . Warum lat man das?
Auch Wolff berücksichtigte den Trochanter gar nicht. Die Anwesenheit desselben
paßt allerdings ganz und gar nicht in die Konstruktion eines mathematischen Krans
aus dem Femurende, selbst wenn die Details der Struktur sämtlich so wären, wie sie
von W olff angegeben sind. An der Ansatzstelle des Trochanter müßte unbedingt
eine Verminderung und nicht wie gewöhnlich eine Vermehrung der Bälkchen oder
wenigstens sonst eine Änderung des Verlaufes jenes Zugtrajektoriums zu konstatieren
sein. Denn durch den Trochanter, welcher einen lokal den Kranabschnitt verstärkenden
A u ße r ib o g en bildet, würde eine geringere Beanspruchung des Gewebes unterhalb
desselben im Inneren des Knochens die notwendige Folge sein. Es müßte sich
hier eine größere neutrale Zone als z. B. im Schenkelhälse finden, und ebenso müßte
der T ro ch a n te r wirklich die Spannungstrajektorien zeigen, welche W olff allerdings
zeichnet, die aber in exakten Röntgenaufnahmen gar nicht vorhanden sind. Grade an
der Trochanterstelle ist das Trajektorium oft am stärksten und der Bogen am flachsten.
Ferner ist jede Muskelarbeit, welche doch am ganzen oberen Femurende eine sehr
große ist, von W olff und Culmann vollständig unberücksichtigt. Und trotzdem stimmen
ihre Konstruktionen überein. Wo bleibt aber diese Muskelkraft, wenn sie nicht durch
die vorhandenen Trajektorien ausgedrückt sind? ƒ Aber selbst wenn man einen tieferen
Punkt, etwa denjenigen, wo sich die beiden großen Trajektorien im Kopfe schneiden,
als Anfangspunkt der Zugrichtung nach der Trochanterseite zu ansähe, so wird damit
keinenfalls die wohl umschriebene Fortsetzung dieses Zugtrajektoriums bis an die Gelenkoberfläche,
und wie wir sogleich sehen werden, noch sogar darüber hinaus in das
Be ck en erklärt. Alle jene Strukturbilder und die Abweichungen, welche das koxale