achtende Stadium des Vorhandenseins von Epiphysenlinien noch bei etwas älteren Individuen
findet. (Die Beobachtungen obiger Autoren waren zumeist am Lebenden gemacht.)
Jenes Stadium entspricht einem A lte r von 25—28 J ahren , k ein en fa lls ist
a lso der N e an d e r ta le r ä lte r a ls 30 J ahre g ew esen . Wir müssen hier einen Blick
auf die Entstehung dieser Nahtlinie werfen, wie er makroskopisch durch Röntgenaufnahmen
von jungen Knochen leicht festzustellen ist. Sowohl die Knochenkerne der
Epiphysen, als auch die verknöchernde Diaphyse sind ununterbrochen während ihres
Wachstums mit einer dünnen Lage von Compaeta gegen den Zwischenknorpel abgegrenzt.
Mit zunehmendem Alter verschwindet der letztere und wahres Knochengewebe
tritt an seine Stelle. Aber jene dünne Lage Compaeta bleibt Selbst nach' der vollständigen
Vereinigung der Diaphyse mit der Epiphyse noch längere Zeit (beim Menschen
eine Reihe von Jahren) erhalten, selbst wenn das Individuum ausgewachsen ist.
Eine Röntgenaufnahme .vom ganzen »Röhrenknochen eines 20—28jährigen Menschen
zeigt das Vorhandensein dieser. Compaeta Vereinigung in Form einer dickeren aber verschwommeneren
Linie. Später verschwindet auch letztere, wenn die Trajektorienbildung
in den Röhrenknochen zu einer funktionell vollendeten und stabilen geworden ist, durch
den Resorptionsprozeß. Das Fehlen jener Linie ist somit ein Zeichen von gänzlich
vollendetem Wachstum eines Röhrenknochens. Ich konnte die Nahtlinie beim Neander-
talmenschen nicht allein beim Femur, sondern auch bei den übrigen erhaltenen Röhrenknochen
nachweisen. Gegen diese Tatsache fällt die Verschmelzung der Sehädelnähte
beim Neandertaler, welche bisher allein zu seiner Altersbestimmung herangezogen wurden,
gar nicht ins Gewicht. Abgesehen von den großen Schwankungen, welchen der Zeitpunkt
der Verknöcherung der Schädelnähte auch bei den heutigen Menschen unterworfen
ist, — derselbe erstreckt sich bekanntlich über Jahrzehnte,'— so hat man für
die Vergleichung bisher die fortschreitende Größenentwickelung des Gehirns beim
menschlichen Geschlecht seit der Diluvialzeit nicht genügend berücksichtigt. Besonders
ist aber die Wirkung der gewaltigen Kaumuskulatur, welche die diluvialen Menschen
besaßen, bei der Beurteilung der Verbindung der Schädelnähte eigentlich gänzlich vernachlässigt.
Auf die Synostosen des Schädels wird noch in einer späteren Lieferung
eingegangen werden. Keinenfalls können wir die Verknöcherung der Schädelnähte als
eine Altersbestimmung von auch nur annähernder Sicherheit ansehen und sie muß vollständig
dabei irrelevant werden, wenn in den Röhrenknochen noch Erscheinungen vorhanden
sind, welche niemals nach dem 30. Lebensjahre des Menschen vorhanden sind.
Mit der Konstatierung dieser unzweifelhaften Tatsache rückt der Neandertaler
in ein ganz anderes Licht als wie unter dèr V irchow sehen Anschauung. Nicht ein
alter Greis tritt uns in dem Neandertaler entgegen, sondern ein Individuum im blühendsten
Alter. Diesem letzteren entspricht die ganze funktionelle Struktur seiner Oberschenkelknochen.
Es war ein Individuum, welches die h ö c h s te Leistungsfähigkeit an
seine unteren Extremitäten gestellt hatte, als es zu gründe ging. Die äußere Gestalt
entspricht den Gesetzen der Entwickelungsmechanik gemäß der funktionellen Struktur.
Die von den früheren Beobachtern hervorgehobenen äusseren Eigenschaften, welche
in der mächtigen Entwickelung der Femora gipfeln, finden durch die Festlegung obigen
Alters und durch die vorhandene Struktur gemäß der in ihnen enthaltenen Trajektorien
ihre Erklärung, vor allen die allgemeine Stärke ihres Gesamtbaues und die Größe
der Apophysen. Da außerdem an keinem der Femora auch nur eine Andeutung von
pathologischer Struktur vorhanden ist, so ist die pathologische Richtung für die ersteren
n ic h t mehr aufrecht zu halten.
Die Oberschenkelknochen des Spymenschen verhalten sich wie in ihrer äußeren
Form so auch in ihrer Struktur durchaus nicht anders als der Neandertaler, ich würde
mich in Wiederholungen ergehen müssen, wenn ich die Struktur der ersteren schildern
würde. Die. Spongiosa der Spyfemora ist nicht ganz so kräftig, immerhin spricht das
fast vollständige Fehlen des W ard sehen Dreiecks und die mächtige Entwickelung des'
Radialsystems vom inneren Halsschaftwinkel ausgehend ebenfalls für eine sehr hohe
funktionelle Beanspruchung (Fig. 35). Das Radialsystem von Knochenbälkchen erstreckt
sich wieder bis in die Spitze des Trochanters, während das große bogenförmige Trajek-
torium gegen den letzteren wieder scharf absetzt. Im tibialen Femurende von Spy I ist
der posthume Bruch durch Gips restauriert. Dadurch hat hier die Knochenstruktur leider
bedeutend gelitten. Doch sind die großen aufsteigenden Trajektorien gut zu erkennen
(Fig. 36). Nur in einem Punkte unterscheiden sich die Femora beider Spymenschen
vom Neandertaler, sie haben das 30. Lebensjahr ü b e r s ch r itten , denn die Epiphysenlinien
fehlen vollständig. Schwerlich werden sie aber über das 40. Lebensjahr herausgekommen
sein, sonst würde man wohl beginnende Alterserscheinungen in der Knochenstruktur
konstatieren können.
Das in je d e r Beziehung gleiche morphologische und strukturelle Verhalten der
Oberschenkelknochen dreier Individuen aus der Diluvialzeit drängt meines Erachtens
jeden Unbefangenen zu dem Schluß, daß jene Femora eine N o r mal form und sehr
wahrscheinlich sogar die t y p i s c h e Form bei erwachsenen diluvialen Menschen darstellen,
welche auf der Höhe ihrer funktionellen Leistungsfähigkeit standen.
Aus den O b e r s ch en k e lk n o ch en des Neandertalers und des Spymenschen
auf eine besondere G a t t u n g des Menschen überhaupt zu schließen, ist dagegen n ic h t
angängig. S chwalbe, welcher allein durch die Betrachtung der Schädel jener Individuen
dazu gekommen ist, sagt selbst, daß die Femora in ihren Eigenschaften in n e r