des oberen Femurendes, welche die Krantheorie voraussetzt, müßte gerade beim Affen-
Yemur durch die Anlage eines sehr starken „Zug"trajektoriums in bester Form mit allen
mathematischen Postulaten hervortreten. Das häufig vorkommende Gegenteil kann für
das obere Femurende nicht allein durch eine Inkonstanz der Beanspruchung erklärt
werden. Denn die Beanspruchung auf B i e g u n g infolge s t a t is c h e n Druckes müßte
bei den kranartig funktionell beanspruchten Oberschenkelknochen bei jeder noch so
verschiedenen Art der Beanspruchung in konstanter Art verlaufen. Wie Z schokke
nachgewiesen hat, haben viele Tiere das bogenförmige Trajektorium überhaupt nicht. Dieser
Autor meinte schon sogar, daß das allerdings bei Pferden auftretende, von der Trochanterseite
zum Femurkopfe aufsteigende System, welches aber hier nicht in letzte'ren hineinreicht,
besser als Drucksystem sich erklären ließe und das Prinzip des Krans beim Tier
nicht angewendet werden könne. Dieser Ausspruch Z s c h o k k e s hat viel für sich. Es
macht sich bei den meisten Tieren eine gewisse Gleichmäßigkeit und Parallelität in
der Belastung aller Einzelabschnitte des Femurs bemerkbar. Eine deutliche Überkreuzung
des Femurs seitens des Maximaldruckes in der Diagonale findet sich selbst
bei den Affen nicht ausgedrückt. Ihre Labien laufen in der Diaphyse nicht zusammen.
Für das koxale Femurende kommen im allgemeinen ferner zwei Faktoren in
Betracht, durch welche die Ausbildung des „Zug"trajektoriums im Sinne, der Krantheorie
gefördert werden könnte, nämlich Länge des Femurhalses und die Verminderung
des Collo - Diaphysenwinkels. Man kann nicht behaupten, daß die Femora der
Anthropomorphen in bezug auf d i e s e beiden Faktoren sich so wesentlich anders verhalten
, als daß dadurch die geringere Ausbildung der Trajektorien und ihr proportionales
Verhältnis in bezug auf Stärke gegenüber dem menschlichen Femur erklärt
werden könnten. Der Collo-Diaphysenwinkel ist bei den Anthropomorphen nicht
größer als beim Menschen und auch die Länge des Collums samt Caput im Verhältnis
zur ganzen Länge des Femurs ist nicht eine grundverschiedene. Dennoch zeigen sich
auch im oberen Ende des Affenfemurs in der Struktur so große Verschiedenheiten von
derjenigen des Menschen, daß auch hier eine Bestimmung der Spezies allein durch
diesen Knochenabschnitt möglich ist. (Vergleiche Fig. 17—21.)
Die Femora der Anthropomorphen zeigen auf Röntgenaufnahmen der intakten
Knochen immer eine große Gleichmäßigkeit der Knochenbälkchen der inneren und der
äußeren Seite sowohl in bezug auf ihre Zahl als auch auf ihre Stärke. Nach dem
Femurkopfe zu vereinigen sich die Züge zu einer zentralen Anordnung, von welcher
die Bälkchen radial nach allen Seiten weiter zur Gelenkoberfläche ziehen. Das trifft
besonders bei jungen Individuen zu, wenn die Epiphyse noch strukturell erkennbar ist.
Das große Drucktrajektorium, von der inneren Seite zum Femurkopfe aufsteigend, ist
vorhanden, aber p ie m a i s , wie beim Menschen sämtlichen übrigen Trajelktorien gegenüber
prädominierend. Knochenschnitte zeigen diese Verhältnisse noch deutlicher. Im oberen
Teile des großen Drucktrajektoriums sieht man die Bälkchen sich größtenteils zu einer
mehr rundmaschigen Spongiosa auflösen, und nur in dem Mittelschnitte (Fig. 20) ist
es bis zur Gelenkoberfläche etwas stärker hervortretend. Das entsprechende „Zug"trajek-
torium der Krantheorie läuft du rch aus nicht in dem schön geschwungenen Bogen wie
beim Menschen. Der von der Trochanterseite zum Halse aufsteigende Teil besteht
selbst im Medianschnitte aus wenigeren Bälkchen. Diese sind vielmehr g ra d lin ig und
ziehen möglichst zur Fossa trochanterica. Mehr tangentiale Schnitte zeigen häufig ein
nahezu vollständiges Fehlen dieses unteren Teiles des „Zug"trajektoriums (Fig. 21). Der
obere Teil desselben ist bei jüngeren Orangutans ebenfalls ziemlich schwach, bei älteren
Tieren etwas stärker ausgeprägt. Er bildet nicht die gleichmäßige Fortsetzung des von
der Trochanterreihe sich ablösenden Knochenbalkenzuges, sondern entspringt w in k e lig
zu letzterem aus den Compacta der Fossa trochanterica. Auch im oberen Teile sind die
Bälkchen häufig gradlinig, ja gelegentlich sogar nach unten gebogen, um dann nach
dein Durchtritt durch das Drucktrajektorium zum unteren Rande des Kopfes bogenförmig
zu verlaufen. In keinem Falle kann man hier von einer regelmäßig r e ch t w in k e lig
en Kreuzung der beiden großen Trajektorien sprechen, wie die WoLFFsche Krantheorie
es als „mathematisches Postulat" erfordert.
Vom Halsschaftwinkel des Affenfemur, welcher meistens eine zur Gesamtlänge
verhältnismäßig dicke Compacta besitzt, zieht das recht stärkte System der
radial zum Winkel angeordneten Knochenbälkchen. Sie sind gelegentlich an Zahl und
besonders aber an Stärke überwiegender als die gleichen menschlichen und zeigen mit der
Compacta die große Beanspruchung grade dieses Teiles. Die Bälkchen bilden die Streben
gegen den gefährlichen Querschnitt, der durch den Winkel entsteht und sind ein großes
Analogon für die radialen Trajektorien, welche ich bei den Anthropomorphen am inneren
Kieferwinkel nachgewiesen habe. Die Natur will offenbar durch dieses System von
Streben eine Durchbiegung des Winkels trotz der enormen Beanspruchung überhaupt j
vermeiden. Der Hebel muß beim Unterkiefer wie beim Femurende ein m ö g l i c h s t
s ta r re r sein, um die denkbar beste Funktion zu ermöglichen, wobei die Elastizität des
Knochengewebes eliminiert sein muß. Diese Starrheit des Gewebes wird bei der
plötzlich erfolgenden Beanspruchung durch keinen noch so sorgfältig angelegten aber
federnden Aufbau von Gewebsteilen erreicht, wie die WoLFFsche Theorie es mit
ihren Zug- und Druckkurven im Sinne der graphischen Statik voraussetzt. Der normalen
Funktion gegenüber ist noch immer ein Plus, s ta r re r Festigkeit im Knochen vorhanden.