nahmen von ganzen Beckenknochen tritt in ihnen das bogenförmige Trajektorium kräftig
hervor. Anderseits zeigen die Q u e r fä s e r n , welche in denrbogenförmigen Trajektorium
des Oberschenkels selbst noch in ziemlicher Tiefe in der Beckenstruktur vorhanden
sind, daß ein D ru c k an dieser Stelle stattfindet und kein Zug. Selbst wenn aber eine
innige Verbindung zwischen Femur und Acetabulum es ermöglichte, daß ein Z u g von
ersterem wirklich sich im Os ischii djrekt und cirkumskript fortpflanzen k ö n n te , so
würde die r a d iä r e Struktur der Pfanne auf L ä n g s z u g keine derartig verstärkten
Querfasern nötig haben, wie sie hier vorhanden sind. Die Pfannenstruktur könnte sich
durchaus darauf beschränken, wie an der unmittelbar darüber liegenden Stelle durch
ganz schwache Querfasern verstrebt zu sein. Die Aneinanderlagerung der radiären
Längsbalken an der .Oberfläche des Acetabulum würde eine gegen seitliche Ausbiegung
genügende Verstrebung sein und nicht eine solche vermittelst äußerst starker Querbalken
in einer Tiefe von vielen Millimetern im Gewebe benötigen.
Ich muß hier auf den Einwand Roux’s eingehen, welchen derselbe gegenüber
der im Eingänge dieser Arbeit angeführten Meinung Bährs gemacht hat. Bähr hatte
behauptet, „daß die Oberschenkelknochen nicht ähnlich wie Krane fungieren, nicht wie
diese in Anspruch genommen werden können, weil das Becken zwischen den beiden
Schenkelköpfen eingeschaltet ist und ein Widerlager darstellt, das die Näherung der
Schenkelköpfe gegeneinander verhindert. Deshalb könnte auch speziell in den w a g e re
ch ten Bälkchen im Schenkelhals unter k einen Umständen Z u g stattfinden". Roux
hält dies beides für unzutreffend und sagt: „Denken wir- uns zunächst den Knochen
erweicht, so wird es sofort einleuchten, daß die Last des Beckens und Rumpfes heruntersinken
muß, indem die Oberschenkelhälse h e r a b g -e b o g e n und die Mittelstücke der
Oberschenkel nach a u ß e n gebogen werden."
So hoch wie ich die Anschauungen des Meisters der Entwickelungsmechanik
schätze, so glaube ich doch, daß dieser Anschauung grade die Fortsetzung des bogenförmigen
Trajektoriums in das Becken, dann aber auch die Pfannenstruktur, entgegen
steht. , Denn im untersten Teile der Pfanne sehen wir k e in e größeren Q u e r Verstrebungen
wie dem bogenförmigen Trajektorium gegenüber. Würde der Oberschenkelhals
bei n o rm a le r funktioneller Belastung herabgebogen, so würde ein Druck auf den
unteren Pfannenrand auch eine Verdichtung, sei es in letzterem selbst, sei es im Femurkopfe
oder in beiden, hervorbringen müssen. Der ausgeübte, das Herabbiegen der
Oberschenkelhälse veranlassende Druck müßte auch in vertikaler Richtlmg den Pfannfen-
rand treffen und in dieser Richtung unbedingt eine Pressung und dementsprechend eine
Verstärkung des Randes ausüben. Aber nichts Derartiges ist zu sehen und dieser Umstand
ist ein weiterer Beweis, daß der Oberschenkelknochen auch in seinem oberen
Ende bei der n o rm a len F u n k t io n möglichst s t a r r sein soll und auch tatsächlich
wohl ist. Wollte man endlich zur Erklärung der Fortsetzung des bogenförmigen Trajektoriums
in das Becken allein den Limbus cartilagineus und den Bandapparat heranziehen,
so könnten diese ja wohl als Hymochlion bei der Herabbiegung des Oberschenkelhalses
aufgefaßt werden. Dann würde aber auch durch diese Faktoren nur ein D ru c k in der
Richtung gegen die Gelenkpfanne ausgeübt werden, niemals ein Zug. Das Ende des
bogenförmigen Trajektoriums im Oberschenkelkopfe wäre dann Drucktrajektofium,
während nach der Krantheorie im übrigen Teil Zug wäre, welcher diesem grade entgegenarbeitete.
Das bogenförmige Trajektorium als anatomisches Ganzes läßt auch
diese Auffassung nicht zu. Im übrigen steht Roux durchaus nicht auf dem schroffen
Standpunkte w ie j. W olff, welcher eigentlich alle funktionelle Struktur durch die Statik
entstehen läßt. Roux hat in dem von W olff veröffentlichten Briefe betont, „daß die
Muskeln bei ihren Spannungen und Verkürzungen erheblichen Einfluß ausüben. Für-
die Berücksichtigung dieser letzteren Wirkungen bin ich schon seit langer Zeit eingetreten,
und habe speziell auf die Verminderung, vielleicht gar Aufhebung der Zugspannung
im Schenkelhälse hingewiesen, die unter ganz besonderen Verhältnissen, wie
Schiefstellung des Körpers bei einbeinigem Stehen, verbunden mit bestimmten äußeren
Gegenwirkungen (beim Zerren nach der Seite) durch die Wirkung der Hüftmuskeln
bewirkt werden kann" (Gesammelte Abhandlungen I. S. 682 u. 760 Anm.). Was Roux
hier nur für besondere Verhältnisse annimmt, glaube ich nach den anatomischen Ergebnissen
auch für die normale Funktion der aufrechten Haltung behaupten zu dürfen.
Auch p a th o lo g i s c h e Fälle können zur Entscheidung der Frage, ob das bogenförmige
Trajektorium ein Zug- oder Drucktrajektorium ist, mit Erfolg herangezogen
werden. In Fig. 25 ist eine Schenkelhalsfraktur durch Röntgenstrahlen wiedergegeben,
welche schon von E. W alkhoff in einer früheren Arbeit (Architekturveränderungen des
Knochensystems bei pathol. Bedingungen, Stuttgart 1903) erwähnt ist, aber für die vorliegende
Theorie noch manches Lehrreiche bietet. Es handelt sich um eine lange verheilte
Infraktion des Halsschaftwinkels mit Einkeilung des oberen Fragmentes in die Spongiosa
bei gleichzeitiger Absprengung des Trochanter major. An der Infraktionsstelle hat
reichliche Kallusbildung um die dislozierten Bruchenden stattgefunden. Starke neugebildete
Knochenbälkchen stellten die unterbrochene Verbindung der Compacta wieder
her, so daß das statische Trajektorium der aufrechten Haltung schon wieder funktioniert
hat. Der ganze Femurkopf steht in einem sich mehr dem rechten nähernden Winkel
als es vorher der Fall war. Infolgedessen biegen die Bälkchen jenes Trajektoriums
mehr nach dem ä u ß e r e n Rande des Kopfes zu um. Außer dieser Transformation
der Knochenbahn geht vom oberen Rande der'Kallusbildung ein zweites stärkeres Druck