altdiluvialen Menschen nahe an die Variationsbreite des rezenten Homo; die Gestalt
des Schädels ist auch eine verschiedene sowohl was die Norma verticalis, als auch die
Beschaffenheit des Schädeldaches betrifft. Wir finden nämlich schmale und breite lange,
dann bauchige und flachdachige Schädel. Besonders wichtig ist es, daß an Schädeln
der Kinder des Homo primigenius jene charakteristischen Überaugenwulste noch nicht
in ihrer typischen Form ausgeprägt sind; dies kam erst mit. dem individuellen Wachstum
resp. der Verstärkung des Schläfenmuskels zum Ausdruck. Auch das .geknickte
Occipitale ist bei Kindern noch nicht in jener prägnanten Weise ausgedrückt, wie wir
dies an Schädeln ausgewachsener Individuen des Homo primigenius beobachten.
Von allen diesen Charakteren sind es einige, die man als Ahnenmerkmale oder
als pithecoide bezeichnen kann. Das sind eben die fliehende Stirn mit den Supraorbitalwülsten,
die Nasofrontal-Profillinie und die tiefere Lage des Jochbogens.
B. Der Oberkiefer.
Vergleiche: „Der paläolithische Mensch . . . " (Mitteilungen der anthropol. Gesellschaft Wien
1901. pg. 187. Taf. Et. Fig. 1, 2.
Ibid. 1902. pg. 213. 1904. pg. 191, Taf. I. Abb. 3, 4.
„ 1905. pg. 206. Taf. III. Fig. 1, ra .
Zu den bereits beschriebenen Oberkieferfragmenten sind noch zwei neue hinzugekommen,
so daß sich nun die Anzahl der Oberkieferfragmente aus Krapina auf 6 Stück
beläuft. — Ihrem Alter nach bezeichne ich sie mit den Buchstaben A —F. Fünf dieser
Kiefer stammen von Individuen unter 20 Jahren, bloß ein Fragment dürfte einem über
20 Jahre zählenden Exemplare angehört haben.
Ich werde die Kiefer nach ihrer chronologischen Reihenfolge beschreiben.
Der Oberkiefer-A.
(Siehe: „Der paläolithische Mensch . . . " 1904. pg. 191. Taf. I. Fig. 3.)
Es ist dies der linke Teil des Oberkiefers eines etwa sechsjährigen Kindes mit
den beiden ziemlich abgekauten Backenzähnen. Zwischen den weit auseinander stehenden
Wurzeln der Zähne sieht man die beiden großen Höhlen, aus welchen die entsprechenden
definitiven Zähne hervorgebrochen wären.
Die Breite beider dP beträgt 18 mm; im einzelnen ergeben sich folgende
Dimensionen:
dPi
dP 8
ronenbreite Kronendicke Kronenhöhe Totale Zahnläi
.8,0. . . . 8 ,7 . . . . 6,0 . • • • I 7>55
10,0 . . . 10,0, . . . . 6,3 . . 'T c . 16,4
2. Der Oberkiefer-B.
Taf. IV, Fig. 3.
Dieser ziemlich gut erhaltene Oberkiefer wurde vollständig angetröffen. Da
er jedoch gerade an der Humusgrenze lag und dadurch konstant den Einflüssen der
Feuchtigkeit ausgesetzt war, wurde er auch dermaßen durchweicht angefunden, daß
man nur mit größter Mühe den größeren T eil davon retten konnte. Sämtliche Schneidezähne
lösten sich vom Kiefer ab, da dieser eben vorn zerbröckelte. Ebenso lösten
sich auch alle vorn zum Durchbruche bereit gestandenen Zähne (beide o J1? roJ2 und
der loC) ab. Unser Kiefer stellt uns also einen im Zahnwechsel begriffenen Kiefer
eines etwa 9jährigen Kindes dar. Am Kiefer selbst sind noch folgende Zähne
sichtbar: der 1. J2, die beiden C, die beiderseitigen Pt und P2 des Milchgebisses, ferner
die beiderseitigen Mj. des definitiven Gebisses, während der 1M2 und der 1 J2 im Kiefer
noch stecken.
Bisher sind vom altdiluvialen Menschen bloß zwei Oberkiefer bekannt geworden,
nämlich die beiden Oberkiefer von Spy. Wir werden auch demgemäß bei der Beschreibung
unserer Kiefer .Stets jene berücksichtigen. Leider fehlt dem einen und zwar
dem besser erhaltenen Spy-Kiefer II die Spina nasalis anterior, wie auch der obere Teil
des Processus alveolaris, weshalb eine nähere Vergleichung unseres Oberkiefers mit den
Spy-Kiefern sehr erschwert wird.
Der Spy I-Kiefer ist zwar fragmentär, aber er enthält die Back- und Mahlzähne,
und die Alveolen des Eckzahnes und der Schneidezähne sind fast vollständig erhalten
(Walkhoff „Die diluvialen menschlichen Kiefer Belgiens" S. 396). Bemerkenswert ist
die große Höhe des Kiefers zwischen dem Alveolarrand und der Spina nasalis, welche
nach Fraipont 28 mm beträgt. — Es ist sehr wichtig, daß wir wissen, daß diesem hohen
Oberkiefer Jener typische Unterkiefer Spy I entspricht. Diese Erkenntnis ist um so
wichtiger, als wir aus Krapina — wie wir dies sogleich sehen werden — neben hohen
Oberkiefern auch einen bedeutend niedereren besitzen, ferner, daß wir neben Unterkieferformen
des Typus Spy I, auch einen anderen — prognathen — jedoch vorn und
hinten fast gleich hohen Unterkiefer besitzen. Ob indessen unser B-Kiefer in die Kategorie
der hohen oder niederen Kiefer gehört, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt
werden, da er gerade vorn defekt ist; doch ist es sehr wahrscheinlich, daß er zufolge
der tief stehenden Ausbiegung gegen den Proc. zygomaticus als ein niederer Oberkiefer
zu betrachten ist.